Created: 1992-06-22, Last update: 1992-06-22, Author: Holger Blasum, URL: http://www.blasum.net/holger/wri/biol/yan_fu.html, Parent: http://www.blasum.net/holger/wri/biol/index.html

Yan Fu bringt den Darwinismus nach China

Referat von Holger Blasum

Eingereicht am Sinologischen Seminar der Rheinischen Friedrich-
Wilhelms-Universitaet zu Bonn im Rahmen des Seminars "Intellek-
tuelle 'Modernisierung' in China: die Periode 1862-1927" (Som-
mersemester 1992) unter der Leitung von Prof. Rolf Trauzettel.

Vorwort

"Darwinismus" ist ein weites Feld; "China" ist gross; "Yan Fu" eine vielfaeltige Person. Der Charakter dieser Arbeit ist deshalb notgedrungen essayistisch; wiikliche Forschungsarbeit, so muss ich bekennen, ist mir in Ermangelung hinreichender Kenntnisse der chinesischen und japanischen Sprache auch noch nicht moeglich. Wie ein kurzer Blick ins Literaturverzeichnis zeigt, liegt die Auswahl also ziemlich einseitig bei westlichen Quellen. Daher enthaelt diese Arbeit auch relativ wenig kritische Gegenueberstellungen verschiedener Interpretationen; damit will ich keineswegs behaupten, dass sich aus verschiedenen westlichen Schulen nicht ebenfalls sehr interessante Kontroversen filtrieren lassen, nur war selbst dieses dem Autor schlicht zu aufwendig. Manche Kapitel, insbesondere das dritte, sind laenger geworden, als urspruenglich beabsichtigt; dennoch hoffe ich, dass die aufmerksame Leserschaft vielleicht doch noch (hier und da) die ein oder andere lesbare Zeile findet.

Bonn, den 22. Juni 1992, Holger Blasum.

Inhaltsverzeichnis

I. Einige Fragestellungen

II. Westlicher Szientizismus

III. Darwin und Darwinismus

IV. Chinesische Rezeptionsbedingen

V. Yan Fu "uebersetzt" Tianyanlun

VI. Wirkungen: Nationalismus und Szientizismus

VII. Unoriginelles Ende

VIII. Anhang

IX. Liste der Zeichen

X. Literatur

I. Einige Fragestellungen

Bei der etwas verwundenen "Geschichte", die gleich zu lesen sein wird, stellt sich (so utilaristisch denkt zumindest der Autor) sicherlich einmal die Frage der Relevanz. Nun, aus ihrem Titel lassen sich mindestens drei Fragestellungen ableiten:
- "Darwinismus" hinterfragt die Folgen von (Natur-)Wissenschaft auf gesellschaftliche Vorstellungen. Damit wird auch das Problem beruehrt, inwieweit das Denken der Menschen auf die Gestaltung einer materiellen Welt Einfluss hat. Diese Fragestellung schliesst wohlgemerkt nicht aus, dass das menschliche Denken selbst Teil einer materiellen Welt ist.
- "Nach China bringen" widmet sich der interkulturellen Transportierbarkeit von natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Vorstellungen. Wird allerdings die Transportierbarkeit untersucht, so beruehrt das indirekt ebenso die Frage nach der "Objektivitaet" von Wissenschaft.
- "Yan Fu" nun ist eine Person, die im Titel ja foermlich erdrueckt wird von so grossen Begriffen wie "Darwinismus" oder "Kulturimport". So sind wir beim Konflikt persoenliche Entscheidung vs. kosmische Gesetzmaessigkeiten und auch bei der Frage nach Determinismus oder offene Entwicklung.

Sollte das zu "philosophisch" klingen, so sei darauf hingewiesen, dass diese Fragen auch gar nicht explizit beantwortet werden. Ob der Autor der Beantwortung dieser Fragen ein Stueck "naehergekommen" ist, und ob das ueberhaupt moeglich ist, das weiss er selber nicht. Es ist vielleicht auch gar nicht noetig. Was bleibt? Nun, eben ein Geschichte, sie spielt in der "historischen" Geschichte auf mindestens zwei Kontinenten. - Inhaltlich bewegt sie sich von der Entstehung der breiten westliche Wissenschaftskultur ueber Darwin und seiner Theorie ploetzlich zum China des 19. Jahrhunderts, wo dieser Darwinismus in einer Krisensituation von der Gesellschaft aufgenommen wurde. Er bereitete den Weg fuer einen chinesischen Szientizimus und damit fuer "wissenschaftliche" Gesellschaftstheorien. Die Evolution der Evolutionstheorie wirft damit zu guter letzt noch die Frage nach ihrer Aussagekraft auf.

II. Westlicher Szientizismus

D.W.Y. Kwok definiert Szientizismus als Geisteshaltung, die davon ausgeht, dass "alle Aspekte des Universums durch die (Natur-)Wissenschaft erkennbar sind"[1], diese muss nicht auf die Naturwissenschaftler begrenzt sein, sondern sie kann sich auch auf die Tendenz erstrecken, "die Ehrwuerdigkeit der Naturwissenschaften auf Gebieten zu verwenden, die naturwissenschaftlich kaum zu untersuchen sind" (the tendency to use the respectability of science in areas little bearing on science itself)[2]. Als vieldeutig erweist sich hier bereits die Bedeutung des Wortes "science", zu dem Langenscheidt unter anderem folgende Bedeutungen angibt: "Wissen, Kenntnis; Wissenschaft, bsd. Naturwissenschaft, Physik"[3] In diesen Bedeutungen deutet sich eine neuzeitliche Verschiebung des Selbstverstaendnisses von Wissenschaft an. Waehrend die (hoch-)mittelalterliche scientia etwa Thomas von Aquins noch spekulatives Wissen war, bildeten sich seit der Renaissance die empirischen Naturwissenschaften heraus, die zunaechst in der Astronomie und Physik die ersten Erfolge feiern konnten. Isaac Newtons "Philosophiae naturalis principia mathematica" (1687), in denen er ein System der theoretischen Mechanik aufstellt, verkoerpert die Grundlagen fuer etwa anderthalb Jahrhunderte mechanistischen Denkens, das sich bald nicht nur mit den Gestirnen oder der Ballistik, sondern auch mit dem Menschen selber zu beschaeftigen suchte, wie etwa de la Mettries "L'Homme Machine" zeigt. Wissenschaft wurde durch die Naturwissenschaft verkoerpert, von der Erkenntnis der Physis aus sollte das wahre Wissen ausgehen. Dennoch war die Wissenschaftlergemeinde im 18. Jahrhundert eher klein, wissenschaftliche Forschung stellte eher eine Beschaeftigung fuer muessige Stunden, denn als eine gesellschaftlich anerkannte Taetigkeit dar, von der ein Mensch leben koennte.

Das aendert sich im napoleonischen Frankreich, als an den Ecoles Polytechniques staatliche Forschungs- und Lehrstellen eingerichtet werden,[4] eine Praxis, die allmaehlich auch in andere Laender uebertragen wird. Ein anderer Beitrag zur Wissenschaftskultur kommt aus Deutschland: Da die deutschen Wissenschaftler auf sehr viele Fuerstentuemer verteilt sind, bildet sich in den zwanziger Jahren des 19. Jhdts. die Gepflogenheit, sich auf Kongressen in jaehrlich wechselnden Orten zu treffen,[5] was seit den Dreissigern z.B auch von der British Association for the Advancement of Sciences praktiziert wurde.[6] Auf deren Vortraegen und experimentellen Vorfuehrungen wurde es somit lokalen Wissenschaftlern moeglich, an den neuesten Erkenntnissen teilzuhaben. Beispielsweise enthaelt das Programm des Treffens von Liverpool 1854 Vortraege ueber Menschenaffen (Owen) Erdmagnetismus (Sabine), Vorfuehrungen ueber Elektrizitaet, Optik, Magnetismus und dazu eine Ausstellung ueber Photographien des Mondes.[7] In den jaehrlichen Reports war dieses dann zusammengefasst, beigegeben werden andere Artikel zu den Wissenschaften. Gleichzeitig entwickeln sich die oeffentlichen Freitagsabend-Vorlesungen der Londoner "Royal Institution" zu einem Ort, an dem sich jeder ueber die Wissenschften informieren kann; so liest Huxley etwa 1852 ueber "Animal Individuality"[8]. Die Populaerwissenschaft geniesst, im Gegensatz etwa zu heute, grosses Ansehen, da die Wissenschaftler es fuer wichtig halten, die ffentlichkeit mit ihren Forschungen und deren Folgerungen bekannt zu machen.[9] Als Medien dienen zunaechst auch Tageszeitungen und Wochenzeitschriften, gegen Ende des Jahrhunderts werden vermehrt naturwissenschaftliche Zeitschriften gegruendet (z.B. Science 1880), die zunaechst allerdings noch durchaus unelitaer ffentlichkeit suchen.[10] Nach der Einfuehrung der allgemeinen Grundschulpflicht (Forster's Act 1870) wurden in den siebziger Jahren Naturwissenschaften in in die britischen Lehrplaene genommen. Erst durch diese Popularisierung gelangt die Naturwissenschaft zu ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz und Relevanz; dieses stellt das Klima dar, in dem Darwin und der Darwinismus so schnell eine derartige Bedeutung erlangen konnten.

III. Darwin und Darwinismus

Am 12.2.1809 wurde Charles Darwin in Shrewsbury geboren. Nach anderthalbjaehrigem Medizinstudium in Edinburgh beginnt er in Cambridge das Theologiestudium. Auch dort widmet er sich freilich hauptsaechlich der Naturbeobachtung und macht so schliesslich (1830) Bekanntschaft mit dem Professor fuer Mineralogie und Botanik, Henslow, und (1831) mit dem Geologen Sedgwick.[11] 1831 gelangt er durch die Vermittlung Henslows auf die Beagle, auf der er bis 1836 die Erde umfaehrt und dabei umfangreichr zoologische Beobachtungen macht. Ein fruehes Produkt ist seine (auch heute noch gueltige) Erklaerung fuer die Entstehung von Korallenatollen durch das Absinken einer Landmasse. Ob Darwin schon waehrend dieser Reise Gedanken der Evolutionstheorie entwickelte ist umstritten, zumindest nicht gesichert.[12] Darwin selbst schreibt seiner Lektuere von Malthus sehr grosse Bedeutung zu: "Im Oktober 1838 (...) las ich zufaellig zum Vergnuegen "Malthus on Population", und auf sein Konzept des allgegenwaertigen Gerangels ums Dasein durch meine ausdauernden Beobachtungen der Tiere und Pflanzen schon eingestimmt, so fiel mir dabei ploetzlich auf, dass unter derartigen Bedingungen guenstige Variationen beibehalten werden, und unguenstige zerstoert werden. Als Folge daraus bildet sich dann eine neue Art."[13] Darauf, dass sein neues Konzept, das den Artbegriff durch den Populationsbegriff ersetzt, auch im Pflanzen- und Tierreich Gueltigkeit habe, verwiest Malthus selbst ausdruecklich.[14] Die beiden Malthusschen Postulate sind, "dass (1) Nahrung fuer die Existenz des Menschen notwendig ist" und "dass (2) die Leidenschaft zwischen den Geschlechtern notwendig ist, und fast unveraendert bleiben wird".[15] Daraus leitet er ab, dass die Bevoelkerungszahl notwendig schneller (exponentiell) wachsen wird als die (allenfalls arithmetrisch zunehmende) zur Verfuegung stehende Anbauflaeche, so dass ein dauerndes "Gerangel ums Dasein" (struggle for existence)[16] als "bestimmte Kontrolle" (positive check) notwendig wird. Diese Kontrolle aeussert sich bei der Oberschicht der zivilisierten Staaten allerdings auch schon in praeventiven Massnahmen (preventive checks; wer erst seinen sozialen Status sichern muss, wird spaet heiraten), dennoch ist die Exstenz einer verarmten Unterschicht unvermeidbares Merkmal der menschlichen Gesellschaft; die durch von utopischen Gedanken geleitete Armengesetzgebung kann diesem Missstand nicht abhelfen und ist deshalb schaedlich.

Schon vor Darwin gab es Evolutionsdenken. Schon Anaximander (6. Jhdt. v.u.Z.) ging davon aus, dass alle Dinge von einer Urmaterie abstammen, der Kosmos sich in immerwaehrender Bewegung gebiert, und der Mensch sich aus Fischen und niederen Bestien gewandelt habe.[17] Spaeter haben Charles Darwins Grossvater Erasmus Darwin (1731-1802) und Jean Baptiste Lamarck (1744-1829) die Evolutionstheorie wiederaufgegriffen; die beiden Lamarckschen Gesetze postulieren, (1) dass Organe durch Gebrauch im Leben eines Tieres staerker ausgebildet werden und (2) dass diese Eigenschaft vererbbar ist.[18] Die fruehneuzeitlichen Theorien waren aber zwangslaeufig allesamt mit dem Makel behaftet, sehr spekulativ zu sein, waehrend der Erfolg der modernen Naturwissenschaften auf der Selbstbeschraenkung auf die Baconsche Empirie beruhte. Die vorsichtshalber anonyme[19] spekulative Veroeffentlichung von Vestiges of Creation (1844), gemaess der die Erde aus einem Feuernebel entstanden sei, auf der sich dann Protozoen (Einzeller) und schliesslich der Mensch entwickelten, rief sowohl heftigen Protest der Wissenschaftler als auch der Kirche hervor, was aber andererseits auch beweist, dass Interesse an dem Thema durchaus vorhanden war. Darwin folgert: "Obwohl dieses wenig genaues Wissen und ein grosses Defizit an wissenschaftlicher Vorsicht aufweist, so hatte es doch im ganzen Lande sofort eine grosse Verbreitung. Meiner Meinung nach hat es uns einen vorzueglichen Dienst erwiesen, in diesem Lande Aufmerksamkeit fuer das Thema zu erregen, und denn Boden fuer aehnliche Ansichten zu bereiten."[20]

Eigentlich war Darwin dann seit spaetestens 1844 dabei, ein sehr ausgedehntes Werk ueber den Ursprung der Arten schreiben, doch als Alfred Russell Wallace (1823 - 1913) im Jahre 1858 einen thematisch aehnlichen Aufsatz an die Linnean Society zur Veroeffentlichung sandte, informiert Lyell, einer der wenigen Mitwisser von Darwins Vorhaben, diesen, so dass am 1. Juli 1858 schliesslich zwei Aufsaetze, einer von Wallace, einer von Darwin, gemeinsam erscheinen.[21] Darwin bringt "The Origin of Species" 1859 in einer sehr ungewoehnlichen Form heraus: ohne Fussnoten und ohne Literaturverzeichnis (das auch in den spaeteren Auflagen nicht ergaenzt wird). Nachdem Darwin zunaechst die Variation durch Zuechtung erlaeutert hat,[22] erklaert er in den wohl bekanntesten Kapiteln 3 und 4 (die z.B. auch Yan Fu explizit fuer die wichtigsten haelt[23]) das Prinzip der natuerlichen Selektion: "Wenn, wie es zweifellos der Fall ist, unter den verschiedenen Lebensbedingungen Organismen individuelle Unterschiede in fast allen ihren Strukturen aufweisen; wenn, wie zweifellos der Fall, es in einem bestimmten Lebensalter, einem bestimmten Jahr oder in einer Jahreszeit wegen der exponentiellen Wachstumsraten zu einem schweren Ringen ums Dasein kommt; so waere es, unter Beruecksichtigung der unendlichen Komplexitaet der Beziehungen der Organismen untereinander und zu ihren (abiotischen) Lebensbedingungen, die eine unendliche Vielfalt der nuetzlichen Strukturen, der Konstitutionen und Gewohnheiten schaffen, doch sehr ungewoehnlich, wenn es dabei keine Variationen gaebe, die vorteilhaft fuer das Individuum sind, genauso wie viele Veraenderungen dem Mensche zuguten gekommen sind. Und wenn es nun irgendwelche nuetzlichen Variationen gibt, so werden die derart veraenderten Organismen eine gute Chance haben, im Gerangel ums Dasein zu ueberleben; und dank des Prinzips der Vererbung, werden sie gleichartigen Nachwuchs haben. Dieses Prinzip der Bewahrens, oder des Ueberlebens der Angepasstesten, habe ich Natuerliche Selektion genannt."[24] In den folgenden Kapiteln belegt Darwin diese Diversifikation der Arten an vielen Beispielen und geht schliesslich auf geologische, geographische und embryologische Aspekte der Artenevolution ein. Darwins Argumentation ist nicht in jedem Fall bereits sicher belegt (was er auch jeweils einraeumt), doch die Masse der Einzelbeispiele fuer die Evolution ueberzeugt den Leser schliesslich.[25] Die grosse Wirkung von Darwins Werk beruht weniger darauf, dass er etwa das Prinzip der Evolution erfunden haette, sondern vielmehr darauf, dass er diese erstmals mit einer grossen Zahl von empirischen Belegen stuetzen kann, die z.T. aus seiner weitgehenden Kenntnis der zeitgenoessischen Geologie, Zoologie und Botanik entstammen, auf die er oftmals verweist, z.T. auf seinen eigenen weitgehenden Beobachtungen. Es ist Darwins Verdienst, das Prinzip der Evolution aus der Spekulation heraus in den Rang der Wissenschaftlichkeit erhoben zu haben.

Wie bereits erwaehnt, stammt das Konzept des "Gerangels ums Dasein" (struggle for existence)[26] urspruenglich nicht von einem Naturwissenschaftler, sondern von Malthus (1798), der spaeter Professor fuer Geschichte und politische konomie wurde. Verstaerkt aufgegriffen wurde es danach von einem der ersten "Soziologen", Herbert Spencer (1820-1903; Ingenieur und Publizist). Bereits im April 1857 postuliert er in einem Artikel in der Westminster Review unter dem Titel "Progress, its Law and Cause", dass die von dem Zoologen v. Baer (1792 - 1876) in den dreissiger Jahren aufgestellte These, dass sich alle hoeheren Tiere in ihrer Embryonalentwicklung aus einer zunaechst gleichartigen Blastula auf verschiedene Weise entwickeln, zu verallgemeinern sei: Wie sich alle Organismen aus dem Zustand der Gleichartigkeit zu einem Zustand der Ungleichartigkeit entwickeln, so sei dies auch auf die Erdgeschichte, menschliche Entwicklung und Geistesgeschichte anzuwenden: "Wir koennen alle diese Evolutionen des Gleichartigen in das Ungleichartige mit gewissen Tatsachen unmittelbarer Erfahrung verknuepfen, die wir infolge endloser Wiederholung als notwendig betrachten."[27] Denn: "Jede aktive Kraft bringt mehr als eine Veraenderung hervor, jede Ursache mehr als eine Wirkung."[28] In seinem zehnbaendigen Werk "A System of Synthetic Philosophy" (1862-92) versucht er dann ausfuehrlich aus der Biologie (Principles of Biology) ueber die Psychologie (Principles of Sociology) ein System der Soziologie zu entwickeln. Auf die anorganische und organische Evolution folgt schliesslich die superorganische (soziale) Evolution, die sich bereits (analog zu Aristoteles, Cicero und Vergil) in der Staatenbildung verschiedener Insektengenera[29] oder auch im Sozialverhalten der Primaten aeussert: "Es gibt dort schon Gehorsam gegenueber den Anfuehrern; es gibt die Vereinigung der Kraefte; es gibt einen Begriff des Eigentums; es gibt einen Austausch der Dienste; es gibt die Adoption der Waisen; und die Gemeinschaft sorgt sich um gefaehrdete Mitglieder."[30] Danach folgt die Erklaerung der primitiven Gesellschaften bis zur komplexen Industriegesellschaft. Gesellschaften koennen konkurrieren: "Ihre Regierungsform wird hauptsaechlich durch ihr superorganisches (soziales) Umfeld bestimmt - durch die Handlungen der angrenzenden Gesellschaften mit denen sie dias Gerangel ums Daseins ausfuehrt."[31] Spencers Sozialevolutionismus wird zeitlich sogar etwas vor Darwins "Origin" entwickelt; Darwin selber beruft sich bei der Benutzung des Begriffes "Survival of the Fittest" auf Spencer: "Dieses Prinzip, nach dem jede nuetzliche Variation beibehalten wird, nenne ich 'Natuerliche Selektion'. Aber der Ausdruck 'Survival of the Fittest', den Herbert Spencer oft benutzt, ist genauer."[32] Spencer sieht eine Wechselwirkung zwischen Soziologie und Biologie. "Der Nutzen dieser beiden Wissenschaften ist in der Tat wechselseitig. Wir muessen nur auf ihre Entwicklung [die der Soziologie] zurueckblicken um zu sehen, dass die Biologie die zentrale Idee, die wir behandelten [Evolution] der Sozialwissenschaft verdankt; und nachdem sie von der Soziologie diese Erklaerung der Entwicklung genommen hat, gibt sie diese Idee der Soziologie diese Idee zurueck, stark an Klarheit erweitert, bereichert um zahllose Beispiele, und bereit sie in neue Richtungen auszudehnen."[33]

Die Evolutionslehre wird in der Tat in neue Richtungen ausgedehnt werden: Von einem (von Darwin nicht unterstuetzten) Konflikt mit der kreationistische Kirche abgesehen[34], erbluehen jetzt, sanktioniert durch den aufkommenden Szientizismus, wieder die Lehren von T. Malthus, der schon seinerzeit die Poor Laws attackiert hatte. Konsequenzen des innergesellschaftlichen Sozialdarwinismus, schon fuer Malthus wichtiger als der zwischengesellschaftliche, aeussert bereits Spencer selber: "Es ist aeusserst grausam, Taugenichtse auf Kosten der Guten aufzuziehen. So wird freiwillig Elend fuer die spaeteren Generationen aufbewahrt."[35] Von W.R. Greg, Wallace und Galton wird in aehnlicher Weise vor den Konsequenzen einer zu grossen Ruecksicht gegenueber den Schwachen gewarnt; Irrenhaeuser, Armenrechte, der medizinische Fortschritt und Impfungen koennten die Auslese behindern. Darwin selbst wehrt sich z.T. gegen diesen "Sozialdarwinismus", er betont, dass auch die Sympathie zu den evolutiv entstandenen sozialen Instinkten gehoert, so dass ihr Abschalten zu einem groesseren Uebel fuehrt: "Aber wenn wir absichtlich die Schwachen und Hilflosen im Stich lassen, so waere dies ein zweifelhafter (contingent) Nutzen, und ein ueberragendes Uebel."[36] Stattdessen verweist er darauf, dass "es zumindest einen stets wirkenden Kontrollmechanismus gibt, naemlich dass die schwaecheren und niederen Mitglieder der Gesellschaft nicht so einfach heiraten wie die wohlgestellten"[37]. Das Prinzip der Selektion muss jedoch erhalten bleiben: "Unsere [die menschliche] Vermehrungsrate, obwohl sie zu vielen offensichtlichen Uebeln fuehrt, darf nicht stark vermindert werden. Es sollte fuer alle Menschen einen offene Konkurrenz (competition) geben; und die Faehigsten sollten nicht durch Gesetze oder Sitten gehindert werden eine maximale Nachkommenschaft aufzuziehen."[38] Der Fortschritt ist keine unveraenderliche Regel, wenn also diese und andere Regeln "nicht die ruchlosen, lasterhaften oder anderweitig minderwertigen Mitglieder der Gesellschaft davon abhalten, sich schneller zu vermehren als die besseren Menschenklassen, so wird die Nation absteigen (retrograde), wie es schon zu oft in der Weltgeschichte geschehen ist."[39] Als Gegenmittel empfiehlt er eine gute Erziehung, einen guten Stand in den Gesetzen; Sitten und Traditionen einer Nation, der von der ffentlichkeit vorangetrieben wird.[40] Er gibt die Ergebnisse der Kraniologen (Schaedelkundler) wieder, wie: "Dr. J. Barnard Davis hat gezeigt (Annales des Sciences Naturelles, Zoologie, Vol. 14, 1850, S. 203), dass das durchschnittliche Innenvolumen europaeischer Schaedel 92,3 Kubikinch; bei [nativen] Amerikanern 87,5 Kubikinch; bei Asiaten 87,1 Kubikinch; und bei [nativen] Australiern nur 81,9 Kubikinch betraegt."[41] Allerdings wendet er gegen solche Schluesse auch ein, dass auch der Neandertalerschaedel groesser als der Menschenschaedel ist; dazu gibt er allerdings einen Hinweis Prof. Brocas wieder; der dieses damit erklaert, dass "in zivilisierten Staaten das durchschnittliche Schaedelvolumen zwangslaeufig dadurch verringert werden muesse, da in diesen eine betraechtlche Zahl an Individuen, die schwach im Geist und Koerper sind, zwangslaeufig bewahrt werden, die im Staat der Wilden sofort ausgerottet wuerden."[42]. Darwin stuetzt zwar andererseits die These, dass alle Menschen(-rassen) einen gemeinsamen Ursprung haben[43], die er darueberhinaus durch seine natuerliche Sympathie mit den feuerlaendischen Ureinwohnern persoenlich illustriert, dennoch scheint mir die oft ausgesprochene Behauptung, dass Darwin ueberhaupt nichts mit dem Darwinismus zu tun habe, zumindest fraglich. Zwar hat er sich von einigen sehr eifrigen Schluessen aus dem Selektionsprinzip distanziert, er bejaht es jedoch (zumindest am Ende des Descent of Man, S. 618; bereits zitiert) ausdruecklich. - Nach dem Erscheinen von "Descent of Man" gibt es dann selbst in der Royal Institution Vortraege mit Titeln wie "Muenzwesen der alten [keltischen] Britannier und Natuerliche Selekton" (John Evans: 14.5.1875), zwei Wochen spaeter dann ueber die "Evolution der Kultur" (Colonel Lane-Fox).[44]

Die hier dargestellte viktorianische Darwinismusdiskussion bewegte sich zum grossen Teil auf den Sektoren des innergesellschaftlichen Sozialdarwinismus und des Kreationismus. Bei den hier ausgewaehlten Autoren, die in China rezeptiert wurden, faellt der (auch fuer China relativ unwichtige) Aspekt der Kreationismusdiskussion ziemlich unter den Tisch, es ist aber offensichtlich, dass die Kirchen damals diesen Standpunkt auch nur deshalb mit einer derartigen Vehemenz einnahmen, da sie einen anderen Aspekt des Darwinismus viel mehr fuerchteten: seine Wissenschaftlichkeit. Das Zeitalter des Szientizismus verdankte Darwin und seinen populaeren Mitstreitern viel; vielleicht, weil the "Descent of Man" im Vergleich etwa zu den simultan entwickelten Maxwell-Gleichungen wesentlich leichter popularisierbar war. Der (zu Beginn des Jahrhuderts) zunaechst alleinigen Autoritaet der Physik wurde die biologische[45] Evolution beigestellt. Darwin hat mit einem Verweis auf die "vital forces" in den "Vestiges of Creation"[46] eine organische Lebenskraft im Sinne etwa Schellings oder Hegels zumindest erwaehnt, "der Begriff des Organismus wurde zum Schluessel fuer naturwissenschaftliche und philosophische Erklaerungen der Naturgesetze; die atomistische Auffassung des achtzehnten Jahrhunderts galt fuer ueberholt. Dieser Standpunkt beeinflusste schliesslich sogar die theoretische Physik. In der Politik fuehrte er naturgemaess dazu, die Bedeutung der Gemeinschaft im Gegensatz zum Einzelnen zu betonen. Dem entspricht die wachsende Macht des Staates, sowie der Nationalismus, der sich nicht den Individuen, wohl aber den Voelkern gegenueber auf die Darwinsche Lehre vom Ueberleben des Tauglichsten berufen kann."[47] Dieser Aspekt gilt freilich weniger fuer das viktorianische England, denn fuer die Staaten, in denen organische Staatsphilosophie traditionell einen hoeheren Rueckhalt hatte.

IV. Chinesische Rezeptionsbedingungen

Deutlichstes Zeichen fuer den Erfolg des Regierungssystemss der Qing-Dynastie war die (in Chinas Bevoelkerungsentwicklung wohl ziemlich beispiellose) Verdoppelung der Bevoelkerung im 18. Jahrhundert von etwa 150 Millionen auf ca. 300 Mio Einwohner. Waehrend dieser langen Periode des Wohlstandes seit der Regierung Kang Xis bis zum Ende der ra Qian Long (1796/99) stand somit zunehmned Kapital fuer den Handel bereit, das naturgemaess andererseits wieder das Interesse der zu korrumpierenden Beamtenschaft auf sich zog. Einhergehend mit dem Wachstum der so ernaehrbaren chinesischen Intelligenz wurde gleichermassen natuerlich die Konkurrenz auf die zumeist festgeschriebene Anzahl sozial respektierter und eintraeglicher Beamtenposten schaerfer, so dass sich besonders in reichen Suedostprovinzen an den Akademien eine literarische Schicht herausbildete, deren Kapazitaeten nicht mehr vom Staat aufgesogen wurden - spaeter wird sich gescheiterte Pruefungskandidaten dieser Schicht oftmals (in Ermangelung von etwas besseren) den westlichen Schulen zuwenden.

Dem "Opiumkrieg", den der Westen des vergangenen Jahrhundet als Meilenstein fuer die Eroeffnung westlich-chinesischer Beziehungen ansah, wurde in China zunaechst wohl nicht die Bedeutung zugeschrieben, die er heute hat. Die "ungleichen Vertraege", wurden einfach nach dem Beispiel der Vertraege mit Kokand (1835) geschlossen, das zuvor in Kaschgar eingefallen war.[48] Der Unterschied war jedoch, das die Vertragspartner nach 1842 unersaettlich waren, und schliesslich 1860 sogar Beijing bestzten und den Sommerpalast niederbrannten, waehrend Russland nach dem Amurgebiet nun auch die Kuestenprovinz erhielt. Gleichzeitig wurde Suedchina von den Taiping-Aufstaenden erfasst, deren Initiator Hong Xiuquan zumindest einige Begrifflichkeiten des protestantischen Christentums aufgegriffen hatte. Die Taiping-Krise war es aber andererseits auch, in der sich die Nuetzlichkeit des Westens offenbarte: Mit Hilfe westlicher Militaerhilfe und z.T. auch Armeen wurden die Taiping niedergeschlagen, da sie auch westliche Handelsinteressen bedrohen. Schon vor der Taiping-Krise hatte etwa der Reformer Wei Yuan auf die Nuetzlichkeit des Studiums westlicher Technik verwiesen und die Einrichtung eines Uebersetzungsbueros vorgeschlagen; nun werden sie realisiert. 1895 wird Yan Fu folgende Einfuehrungen westlicher Technik aufzaehlen: "(1) Uebersetzungsbuero (1865); (2) Schule fuer auslaendische Sprachen (1862); (3) Verwaltung der [meist Binnen-] Handelsschiffahrt (1866); (4) Buero fuer den Seehandel (1876); (5) Gesellschaft der chinesischen Seehandelskaufleute (1872); (6) Fabriken (1865); (7) Marine (1866); (8) Kuestenverwaltung (1885); (9) westliche Militaeruebungen (1862); (10) Schulen (1866); (11) diplomatische Gesandtschaften (1875); (12) Bergwerke (1878); (13) Postsystem (1880); (14) Eisenbahnen (1880)"[49]. Die Sichtweise dieser Selbststaerkungsbewegung wird von Zhang Zhidong ausgedrueckt: Chinesisches Wissen ist substantiell (ti), waehrend westliches Wissen bloss technisch-funktional nuetzlich (yong) ist.[50] Diese nun vulgarisierte neokonfuzianische Terminologie, die bei Zhu Xi noch die Qualitaeten jedes Dinges bezeichnete, und nun fuer das Aufstellen von zwei Klassen von Dingen verwendet wird,[51] verschleiert allerdings die Bedeutung des westlichen philosophischen und politischen Denkens.

Kang Youwei (1858-1927) aus der Provinz Guangdong, der sich schon in jungen Jahren recht viel in Xianggang aufhaelt, entwickelt dann die Neutext(xinwen)-Schule. In seinem ersten Werk, der "Untersuchung der waehrend der Xin-Zeit gefaelschten Klassiker" (Xinxueweijingkao; 1891) stellt er als Textkritiker die These auf, dass die in der Alttext-Schrift geschriebenen Klassiker und Anmerkungen eine Faelschung von Liu Xin (46 v.u.Z. bis 23 n.u.Z.) seien, der damit den Usurpator Wang Mang rechtfertigen wolle. Die Folge dieser Behauptung ist, dass die Grundlagen der Qing-Textkritik so stark erschuettert wurden, dass es nach Kang noetig sei, alle alten Buecher neu zu kommentieren.[52] Dabei sei auch das westliche Wissen neu zu bewerten. Nicht zuletzt dank der Aktivitaet seines popularisierenden "Huxleys" Liang Qichao (1873-1929) fand seine 1891 gegruendete Wanmucaotang-Schule in Guang-zhou regen Anklang.

Das aussenpolitisch zunaechst vergleichsweise milde Klima der Qing-Restauration verschlechterte sich, nachdem 1885 und 1886 die Tributlaender Annam und Birma an die Kolonialmaechte gehen, doch als sehr grosser Schock musste die peinliche Niederlage im chinesisch-japanischen Krieg von 1895 wirken, da hier erstmals asiatische Barbaren China deutlich besiegten (die Ryukyu-Inseln waren nach dem Taiwan Shuppan 1874 eher stillschweigend abhanden gekommen). Unter dem Vorwand, einen koreanischen Aufstand unterdruecken zu wollen, kommt die japanische Flotte nach China herueber und versenkt 1894 die nordchinesische Flotte Li Hongzhangs, der ihre Strategie einem Kavalleriegeneral ueberlassen hatte.[53] Der von Li Hongzhang und Ito Hirobumi ausgehandelte Vertrag von Shimonoseki besiegelt dann Aufgabe Taiwans und Koreas an Japan, im Vertrag eingeschlossen sind 200 Mio. Taels "Entschaedigung", zahlbar ebenfalls an Japan. Der Intervention der westlichen Maechte ist es zu verdanken, das die ebenfalls geforderte Liaodong-Halbinsel ausgenommen wird (ihr hehres Ziel ist es aber einzig und allein, sich dort ab 1898 selber niederzulassen.) - Die Schwaeche Chinas ist nun unuebersehbar, waehrend das Beispiel Japans zeigt, dass Reform machbar sein kann, beides gibt der Reformbewegung erheblichen Auftrieb: "Direkt nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg (1894-1895) versammelte Kang Tausende junger Gelehrter um ein Memorandum ueber den Stand der Dinge zu praesentieren, das als 'Memorandum der Kandidaten der Teilnehmer an den Provinzpruefungen' (Gongche shangshu) bekannt ist. Dieses ist tatsaechlich der Beginn der 'politischen Massenbewegungen' in China."[54] Einer ihrer Theoretiker wird Yan Fu.

V. Yan Fu uebersetzt "Tianyanlun"

Auch bei Yan Fu war es zunaechst eine Notloesung, ihn nach dem Tod seines Vaters seine klassische Ausbildung abzubrechen lassen und ihn durch Beziehungen auf die Marineschule von Fuzhou zu schicken, deren Eingangspruefung (ein Aufsatz ueber die lebenslange kindliche Pietaet) er besteht. Nachdem er diese Schulung sehr gut abgeschlosen hat, faehrt er zunaechst einige Jahre mit auf der Yangwu und wird dann einer der ersten Chinesen, die zum Studium ins Ausland geschickt werden. Als er 1877 bis 1879 in England am Naval College in Greenwich weilt, beschaeftigt er sich jedoch nicht nur mit rein technisch-nuetzlichen Dingen (im Sinne von "yong"), sondern er versucht vielmehr auch den politischen und philossophischen Charakter der englischen Gesellschaft zu beobachten, um das "Geheimnis von Wohlstand und Reichtum"[55] zu ergruenden. So wird er bald mit dem gleichgesinnten chinesischen Gesandten in London, Guo Songtao, bekannt. Trotz des grossen Altersunterschiedes "verbrachten sie oftmals Tage und Naechte damit, die Unterschiede und hnlichkeiten chinesischer und westlicher Institutionen zu diskutieren".[56] Das spaetviktorianische England befand sich in "einem liberalen, ehrlichen Zeitalten, dessen repraesentativste Vertreter weder Aristokraten noch Geschaeftsleute, sondern Menschen mit akademische Bildung oder beruflicher Erfahrung sind"[57]. Darwinismus und auch innergesellschaftlicher Sozialdarwinismus wurden weitgehend diskutiert. Zwar wurden die Grundlagen des "Imperialismus" bereits in dieser Zeit (unter der Premierministerschaft Benjamin Disraelis) gelegt, doch als breitere ideologische Bewegung fand der Imperialismus erst in den neunziger Jahren Zulauf.[58] So sieht Yan Fu die Gruende fuer den westlichen Reichtum zunaechst in dem taeglichen Zuwachs von unvoreingenommener Urteilskraft (gongli).[59]

Nach dem Tod seines Foerderers Shen Baozhen ohne Beziehungen, sind die achtziger Jahre fuer Yan Fu, der bloss als Lehrer an der Beiyang-Marineschule zu Tianjin unterkommt, nicht sehr berauschend. Frustriert ueber sein Scheitern beiden Staatspruefungen und von der chinessichen Indifferenz gegenueber dem Verlust der Ryukyu-Inseln beginnt er sogar, Opium zu rauchen.[60] Dennoch liest er weiter Buecher aus dem Westen, so z.B. im Jahre 1881 Herbert Spencers "Study of Sociology" (1872), das auf ihn grossen Einfluss ausuebt. Erst nach der Niederlage im chinesisch-japanischen Kireg fuehlt er sich berufen, einige Exemplare seiner Uebersetzung von "Tianyanlun" zirkuliern zu lassen; es geht allerdings erst 1898 in Druck. Deshalb sind seine vier 1895 in der Tianjiner "Zhibao" erschienen Artikel zunaechst wirkungsgeschichtlich bedeutsamer; auch wenn, verglichen mit Tianyanlun, ihre Wirkung im Nachhinein relativ gering war,[61] so stellen sie doch "die Matrix dar, anhand der seine gesamte Uebersetzungsarbeit vertanden werden muss"[62]. Seine vier Artikel, stellenweise in der Form eines fiktiven Dialogs geschrieben, lassen sich (groeblichst) in zwei Kategorien einteilen: Bei den ersten beiden "Ueber die Geschwindigkeit der Weltveraenderung" (Lunshibianzhiji) und "Grundlagen der Staerke" (Yuanqiang) ueberwiegt der deskriptive, bei den letzten beiden "Das was, im Begriif ist, unterzugehem, retten" (Jiuwanglun) und "Kritik an Han Yu" (Pihan) der polemische Charakter. Nach dem analytischen Teil des Yuanqiang setzen folgt in diesem Aufsatz die zusammenhaengende Darstellung von Yan Fus Forderungen ein, die in den beiden letzten Aufsaetzen nochmals praezisiert werden ("Jiuwanglun" wendet sich vor allem gegen das Pruefungssystem, "Pihan" gegen Han Yu (768-824) als einen Vertreter der der konfuzianischen Monarchisten). Im "Lunsebianzhiji", in dem er die Geschwindigkeit des Wandels mit der Qin-Dynastie vergleicht,[63] schreibt er, dass "die Westler die Betonung auf die Gegenwart legen. Die Chinesen dagegen betrachten den Wechsel zwischen Ordnung und Unordnung, zwischen Wohlstand und Abstieg, als den normalen Lauf der Natur und der menschlichen Dinge; im Gegensatz dazu halten die Westler den Fortschritt der Welt fuer unbegrenzt: die hoechste Anstrengung der Wissenschaft, der Politik und der Moral wehrt sich dagegen, nach dem Wohlstand in die Dekadenz zu fallen und gegen die Rueckkehr der Unordnung nach der Ordnung."[64] Die Dampfmaschinen und Feuerwaffen sind nur oberflaechliche Produkte der westlichen Welt. "Wo liegt nun der der Pulsschlag, der ihr Lebenskraft verleiht? In der Domaene des Wissens, darin, das Falsche zurueckzuweisen und das Wahre zu akzeptieren; in der Domaene der Rechtschaffenheit, den Gemeinnutzen vor das Privatinteresse zu stellen."[65] Den zweiten erklaerenden Aufsatz "Yuanqiang" beginnt er damit, dass er die Darwinschen Prinzipien der Variation und Selektion erklaert.[66] Ein groessere Betonung legt er dann auf Spencers Ansatz, "neue wissenschaftliche Theorien zu verwenden, um das zu beschreiben, was fuer die Harmonie im individuellen, familiaeren, nationalen und weltweiten Leben noetig ist."[67] Yan Fu betont, dass Spencer den Begriff der Soziologie (qunxue) verwendet, um die evolutionstheoretische Erklaerung gesellschaftlicher (superorganischer) Phaenomene zu entwickeln. "Dieses Wort erinnert an Xunzi [Kapitel 11], gemaess dem es das Unterscheidungsmerkmal des Menschen von Tieren ist, mit den Menschen zusammenzuleben. Daher das neue Wort 'Soziologie'."[68] Die Erziehungsprinzipien Spencers ((1) den Verstand schaerfen; (2) den Koerper trainieren; (3) das moralische Empfinden zu foerdern)[69] lassen sich durch seinen organischen Gesellschaftsbegriff vom Individum auch auf die Nation uebertragen. Die Rassen stehen im Wettstreit miteinander, im Moment ist der Westen dabei, China zu unterwerfen. Dass so etwas moeglich ist, dafuer stehen die abschreckenden Beispiele Polens und Indiens.[70] Alle bisherigen Eroberer Chinas waren aus der asiatischen Rasse[71], "die Westler aber uebertreffen uns bereits an Koerpergroesse, hoch und kraftvoll, aber um wie vieles mehr an Buergersinn, Auffassungsgabe, Genialitaet und ihrer Wissenschaft!"[72] Nun, wenn der Westen ueberlegen ist, so ist dieses fuer Yan Fu kein Anlass zu resignieren, sondern vielmehr seine Methoden zu uebernehmen: Auch beim Westen ist es zu seiner jetzigen Evolution in nur etwa 50 Jahren maximal aber in den letzten zwei Jahrhunderten gekommen.[73] Die aeusseren Kraefte zwingen China dazu, nun einen Weg der schnellen Veraenderung zu gehen. Dies ist durch die Anwendung der Dreiheit westlicher Gesundheitspflege, westlicher Wissens und westlicher Moral auch moeglich.

Was ist also zu tun? (1) Waehrend im Westen Wert auf die Foerderung der Gesundheit gelegt wurde, waehrend in Japan Sportuebungen fuer Frauen eingerichtet wurde, werden in China die Fuesse gebunden und Opium geraucht. Beides koennte durch kaiserliche Dekret abgeschafft werden.[74] (2) Auch im Westen beruht der Ursprung der Wissenschaften auf der Empirie, die auch im chinesischen "die Dinge untersuchen und zum Wissen gelangen" (gewuerhouzhizhi)[75] enthalten ist. Die moderne westliche Wissenschaft ist nicht besonders alt. Ihr Erfolg liegt in der Entwicklung der kritischen Beobachtungsfaehigkeit, die auf letzt Perfektion verzichtet. "Folglich wird jene usserung Huxleys klar: 'Das Wissen durch Buecher zu erlangen ist zweitrangig. Das wahre Studium besteht darin, das Universum als Buch und die Menschen als seine Schrift zu lesen."[76] Er fordert die Anerkennung der westlichen Wissenschaft als studierenswert und die Abschaffung des "achtfuessigen Aufsatzes" (baguwen), der bis 1905 als alleinige Grundlage fuer die Staatspruefungen gilt. Ausserdem muss das Ideal des chinesischen Generalisten[77] des durch das des Spezialisten ersetzt werden.[78] Als Vorbild dient hier wieder das Meiji-Japan: "Die Japaner hassen die Westler tiefgruendig; dennoch widmen sie sich trueben Herzens und schweren Mutes den westliche Studien. Sie wissen, dass sie ohne diese Studien nicht nur keine Chance haetten, die anderen Laender zu beherrschen, sondern dass sie dann auch nicht in der Lage sind, das ihrige zu halten."[79] (3) Am schwierigsten ist es, die Moral zu verbessern. Im Grossbritannien und Frankreich gibt es [im Sinne eines subjektiven Nationalismus] ein Staatsbewusstsein, das auf einem Ethos der Gerechtigkeit und Ehrlichkeit beruht. Er wehrt sich gegen die Staatsphilosophie Han Yus, der dem Monarchen die alleinige Fuehrung in einem autoritaeren Staat zuschreibe.[80] Stattdessen braucht China eine Monarchie mit einem oeffentlichen Bewusstsein der gegenseitigen Verantwortung. Als Mittel, um ein derartiges Bewusstsein auch in China zu etablieren, schlaegt er ein Parlament in Beijing vor, in das (nach englischen Vorbild) alle Praefekturen und Unterpraefekturen ihre Abgeordneten waehlen.[81] Im Laufe von 30 - 60 Jahren ist es dann moeglich, zu einer westliche Staatsform zu gelangen, in der das Volk etwa 70% und der Hof etwa 30% der politischenKontrolle innehabe.[82]

Yan Fu fasst den entstehenden Imperialismus nicht in moralischen Begriffen als verwerflich, sondern in evolutionistischen Begrifflichkeiten als natuerliche Herausforderung auf, der begegnet weden muss. Mit seinen Forderungen scheint er sich ungefaehr auf dem Gebiet der Xinwen-Schule zu befinden. Abgesehen von einer Audienz bei Kaiser Guangxu im August 1898 bleibt Yan Fu doch eher Theoretiker als Agitator der Bewegung[83] (schliesslich arbeitete er ja waehrend der gesamten Reformaera in der Marineschule in Tianjin). Schwartz vermutet, dass es ihm anfaenglich zudem noch von den Reformern um Kang angelastet wurde, dass er keine Staatspruefung bestanden hatte und seine klassische Bildung weniger profund als die der Xinwen-Schueler war.[84]

Nach sehr einstimmigen Urteil[85] war das bedeutendste Ereignis fuer die Wirkung Yan Fus dann seine Uebersetzung von Thomas Henry Huxleys "Evolution and Ethics", die gedruckt im Jahre 1898 erschien. Dass er ausgerechnet dieses Werk uebersetzt, zeigt, dass Yan Fu in China die westlichen Publikationen mit grosser Aktualitaet verfolgt, da es erst 1894 in London erschienen war, erste Exemplare von Yan Fus Uebersetzung 1895 schon in privaten Kreisen zirkulierten. Ob er allerdings mit dieser Uebersetzung schon vor oder erst nach der Niederlage begonnen hat, ist offen.[86] Wenden wir uns zunaechst Yan Fus Vorlage und dessen Autor zu:

Thomas Henry Huxley (1825-1895) beschrieb, als er von 1846 bis 1850 auf der Rattlesnake als physiogisch interessierter Aushilfsarzt nach Nordaustralien mifaehrt, einige marine Hydrozoen (Physalia und Diphydiae). Stellungslos beginnt er dann zunaechst aus rein wirtschaftlicher Not, populaerwissenschaftliche Artikel z.B. fuer die bereits erwaehnte Westminster Review zu schreiben,[87] was er, ab 1854 als Physiologe am St Thomas Hospital in London taetig, auch spaeter beibehaelt. Seine dort beginnende Bekanntschaft mit Darwin und seine Faehigkeit, Wissenschaft an die ffentlichkeit zu vermitteln, sind es wohl, die Darwin veranlassen ihn darum zu bitten, "The Origin of Species" zu rezensieren; die erste Rezension erscheint in der Times vom 26.12.1859.[88] In den folgenden Jahren wird Huxley in unzaehligen Artikeln und Vortraegen zum Verbreiter und Verteidiger der Darwinschen Evolutionstheorie, wobei auch er zunaechst nicht kategorisch vor sozialdarwinistischen Schluessen zurueckschreckt. 1893 wird Huxley schliesslich nach Oxford eingeladen, um dort zu erklaeren, wie in der Philosophiegeschichte die Entwicklung der Evolutionshteorie und der ethischen Theorie verwandt waren: In seinem Vortrag "Evolution and Ethics" (19. Mai 1893; erschienen 1894) stellt er jedoch die These auf, dass "sozialer Fortschritt die Kontrolle des kosmischen Prozesses bedeute, der durch einen anderen Prozess ersetzt werden solle, welcher dann als ethischer Prozess bezeichnet werden kann."[89] Nachdem er die die Darwinschen Prinzipien der Variation und Selektion rekapituliert hat, verwehrt er sich jedoch dagegen, dass eine gezielte Zuechtung auch beim Menschen moeglich sei: Wenn der Mensch sich fortpflanzt, kann ohnehin noch nicht ueber seine moralische Qualitaet geurteilt werden[90], deshalb ist es vielmehr die Aufgabe des Menschen, nur die Bedingungen seiner Existenz zu verbessern: "In der modernen Welt ist das praktische Gaertnern des Menschen an sich selbst dazu beschraenkt, nicht die Selektion, sondern jene andere Funktion des Gaertners auszufuehren, bessere Bedingungen als im Naturzustand zu schaffen, um die Moeglichkeiten der freien Entfaltung der angeborenen Faehigkeiten der Buerger zu erweitern."[91] Nach dieser grundlegenden Feststellung wendet er sich zunaechst der Philosophie zu, indem er anhand von einigen Topoi die Allgegenwart einiger alter Klagen der Menschheit, wie etwa des Ennuis[92] oder der moralischen Ungerechtigkeit[93], konstatiert. Nachdem durch die Entdeckungen der diesseitig-materiellen Evolution der Werk der Metaphysik nicht mehr gangbar ist, setzt moderne Philosophie erneut an der "Basis an, von der schon die indische und griechische Philosophie ansetzten"[94]. Als Ausweg aus aller laehmenden Aporie empfiehlt er schlicht: "Im uebrigen glaube ich nicht an mich darin zu taeuschen, dass wie verschieden auch immer ihre [die der antiken Philosophen] Ansichten ueber philosophische und religioese Fragen waren, die meisten Menschen darin uebereinstimmen, dass der Anteil von Gutem und Boesen im Leben sehr stark durch menschliches Handeln beinflusst wird. Nie habe ich jemanden daran zweifeln gehoert, dass das Uebel so verringert werden koenne."[95] Er bittet darum, den Menschen dabei nicht zu ueberschaetzen: "Wenn der Globus fuer Jahrmillionen einen Aufwaertsweg beschritten hat, so wird irgendwann der Gipfel erreicht sein und es wird abwaerts gehen. Die gewagstete Vorstellungskraft wird es kaum vorzuschlagen wagen, dass Macht und Intelligenz des Menschen jemals das Kommen dieses grossen Jahres aufzuhalten vermoegen."[96] Huxley vergleicht die Menschheit mit einem menschlichen Individuum, das nun erwachsen, sich der kindlichen Spekulation enthaltend,[97] fuer die Verbesserung der Lebensumstaende arbeiten sollte, dies wohl im Bewusstsein seiner Vergaenglichkeit. - Huxleys Vorlesung war fuer das "Auditorium, dessen Mehrheit wohl davon ausging, die endgueltigen Worte des Weisheit von einem Menschen, der sie lange und ernsthaft gesucht hatte, zu hoeren"[98] nicht unbedingt ein Erfolg. Spencer kritisiert die Widerspruechlichkeit der Annahme, dass "irgendetwas existiert, das nicht in dem kosmischen Prozess enthalten ist".[99]

Die Kritik dieser Schrift bekommt Yan Fu zum Zeitpunkt der Uebersetzung wohl nicht mehr mit; dennoch stellt sich bei dieser auch fuer Yan Fu offensichtlichen Schwierigkeit[100] die Frage, warum Yan Fu nun ausgerechnet eine scheinbar antievolutionistische Schrift waehlt, um die Evolution zu erklaeren. - Darwins "Origin" ist das Werk eines westlichen Naturforschers, der auf "nur" 400 statt urspruenglich geplanter 2000 Seiten reichlichst biologische und geologische Begruendungen fuer die Evolutionstheorie liefert. Wie schon erwaehnt, ist gerade dieses sein grosser Verdienst, fuer Nichtspezialisten sind die Kapitel 5ff. jedoch zu ausfuehrlich, dass eine Lektuere unbedingt zu empfehlen waere. Ausserdem ist es aus rein westlicher Perspektive geschrieben, Darwin war nie in China, und, von einer ebenso enigmatischen wie interessanten Bemerkung abgesehen,[101] findet sich auch nichts wirklich Chinaspezifisches. Ein Problem duerfte auch die Uebersetzung vieler erwaehnter Artnamen von Spezies darstellen, die es China so nicht gibt. "The Descent of Man" waere da schon geeigneter, immerhin befindet sich dort so mancher Verweis auf China und es lassen sich auch (wie im dritten Kapitel demonstriert) einige Bemerkungen zum Sozialdarwinismus finden. Leider fuellt aber auch dieses Werk ueber 600 Seiten, so dass Yan Fu es wohl vorzog, diese Aufgabe Ma Junwu zu ueberlassen.[102] Wie steht es mit den Werken des im Yuanqiang so gelobten Herbert Spencer? Yan Fu schaetzt zwar an Spencer sehr, dass er die Bedeutung der wissenschaftlichen Betrachtungsweise auch fuer die Soziologie anwendet, jedoch schreibt er in einem Kommentar zu "Tianyanlun" explizit: "Spencers [zehnbaendige] Werke sind umfangreich, tiefgehend und breit. Sie koennen nicht schnell uebersetzt werden."[103] Huxleys Aufsatz ist dagegen mit rund 80 Seiten von handlicherem Format.

Yan Fu paraphrasiert den Text Huxleys und kommentiert ihn. Huxleys Aufsatz bietet dabei viele Anknuepfungspunkte fuer seine Kommentare: Zunaechst erklaert er kurz die Darwinschen Prinzipien, dann kurz die Prinzipien des Sozialdarwinismus und gefolgt von einer etwas diffusen Philosophiegeschichte der Menschheit seit den Griechen und Buddha und schliesslich den Aufruf zum menschlichen Handeln. Damit schafft dieses Werk "auf wundervolle Weise eine transkulturellen Einheit der Menschheit. Buddhismus, wohlbekannt fuer Yan Fus Leserschaft wird mit dem alten Israel und dem modernen Westen vermengt. (...) Huxleys Text gewaehrt Yan Fu eine Moeglichkeit, seine Lesern ueber die grossen Rassenprobleme einen Eindruck der Einheit der Menschheit zu vermitteln. Nichts konnte effektiver sein, als dieser Essay, um den Glauben der Gelehrten an einen qualitativen Unterschied zwischen Chinesen und Barbaren zu untergraben."[104] Noch wichtiger ist aber, dass Yan Fu in seinen Kommentaren den Pessimismus Huxleys durch die optimistische Weltsicht Spencers ersetzt. Huxleys Ablehnung der bloss kosmischen Kraefte beruht nach Schwartz[105] auf seiner Zugehoerigkeit zur juedisch-christlichen individualistischen Ethik. Zwar kann er als Naturwissenschaftler keinen externen Gott erkennen, dennoch will er nicht vom Begriff des Individuums abweichen. Fuer Yan Fu und seine Leserschaft besteht dieses Problem nicht; schon im Titel laesst er die "Ethik" wegfallen: Wenn Huxley an der moralischen Indifferenz der Natur verzweifelt, so kann Yan Fu Laozi zitieren: "Himmel und Erde sind nicht human, die zehntausend Dinge behandeln sie als Strohhunde." Sein Kommentar: "Die Nicht-Humanitaet von der Laozi spricht ist nicht wirklich Anti-Humanitaet. Es ist etwas was den Zwiespalt von Humanitaet und Nicht-Humanitaet uebersteigt."[106] Yan Fu muss sich nicht mit den zehntausend Dingen beschaeftigen, sondern mit dem sie uebersteigenden kosmischen Dao. Auch bei Spencer (im Vergleich mit seinen Zeitgenossen) zaehlt das Individuum relativ wenig; aus Huxleys Textgeruest entsteht so eine Einfuehrung in den Spencerschen Sozialdarwinismus, der dank seines pantheistischen Monismus, bei dem die vielen Dinge aus dem Nichtergruendbaren kommen, recht gut mit einigen Traditionen chinesischen Denkens konvergiert.[107] Guo Zhengzhao macht Yan Fu den Vorwurf, er habe zwar den Unterschied zwischen den beiden Konzepten erkannt, koenne sich aber nun nicht fuer eines entscheiden, und uebe statt dessen lediglich konsistenzherstellende Textkritik.[108] Er verweist zu Recht darauf, dass Yan Fus Optimismus nicht von unbegrenzter Dauer war. Dennoch wurde Yan Fus Verherrlichung der Evolution anscheinend nicht direkt mit der evolutionsverneinenden Position Huxleys konfrontiert, was, haette Yan Fu den Bedenken Huxleys viel Autoritaet eingeraeumt, ja recht naheliegend gewesen waere. Ein optimistisches Element von Huxleys Aufsatz, das sich - wider die Intention des Huxleys - positiv fuer die Rezeption von Spencers doch sehr vorsichtiger und konservativer Betrachtungsweise ausgewirkt haben mag, ist die sehr pragmatische Parole des "menschlichen Handelns" (human action), das zwar urspruenglich als Handeln wider den kosmischen Prozes intendiert, mit Leichtigkeit auch zum Handeln gemaess ebendieses Prozesses umgedeutet werden kann. Der kuehlen Spencerschen Analyse aus dem politisch stabilen Grossbritannien wird somit ein Handlungsanweisung fuer politische Reformen beigelegt.[109] In einem Vorwort preist Wu Rulun genau diese Synthese: "Beides, kosmisches Geschehen (tianxing) und menschliches Handeln (renzhi), sind Teile der Evolution (tongguitianyan)".[110] Optimistisch gesehen, kann die von Guo Zhengzhao kritisierte Entscheidungsunfaehigkeit Yan Fus auch als grosse Synthese betrachtet werden: "Er hat den uralten Konflikt zwischen kosmischen Geschehen (tianxing) und menschlichem Handeln (renwei) geloest. Er hat den Konflikt zwischen Huxley und Spencer geloest. Er verkuendete einfach das mystische Wort "Evolution", gross genug fuer sie alle."[111] Spaeter werden die Widersprueche des Evolutionskonzeptes, die Guo Zhengzhao aufzeigt, zum Tragen kommen; zunaechst herrschte aber (eher) die von Pusey beschriebene Euphorie (die, angesichts der prekaeren politischen Situation Chinas auch einen verzweifelten Zug hat).

Dass "Tianyanlun" auch wegen seiner literarischen Qualitaet gelobt wird,[112] ist seiner Verbreitung noch foerderlicher. Da es im kaiserlichen China kein Urheberrecht gab, wurden nach 1898 Nachdrucke sogar oft auf private Initiative finanziert; bei der bekannten "Commercial Press" (Shangwuyinshuguan) gab es 1921 die zwanzigste Auflage.[113] Begriffe wie "Gerangel ums Dasein" (wujing), "natuerliche Selektion" (tianze), "Fressen und gefressen werden" (die Schwachen sind das Futter der Starken; ruorouqiangshi) und "Ueberleben der Angepasstesten" (shizheshengcun) werden (wie in Europa) zu Schlagwoertern,[114] der Darwinismus schlaegt sich selbst in der Namensgebung nieder; Hu Shi schreibt: "Nur wenige Jahre vergingen nach der Veroeffentlichung der Evolutionstheorie, dann war sie im ganzen Land verbreitet und Lesestoff eines jeden chinesischen Schuelers. Von diesen Lesern erkannten nur wenige das Ausmass dieser allumfassenden Umwaelzung sowohl in der Wissenschafts- als auch in der Geistesgeschichte. Das einzige was sie sahen, war die Formel des 'Ueberlebens des Angepasstesten', die sie auf die internationale Politik bezogen. Nach den Niederlagen Chinas, nach der Schmach des Boxeraufstandes versetzte die Fomel des 'Siegs der Hervorragenden, der Niederlage der Schlechten, des Ueberlebens der Angepasstesten' (youshengliebai, shizheshengcun) nicht wenigen Menschen einen wahren Schock. Innerhalb weniger Jahre, einem Flaechenbrand gleich, entflammte diese Lehre die Gemueterund Herzen vieler junger Leute. 'Evolution' (tianyan), 'Ringen ums Dasein' (wujing), 'Auslese' (taotai), 'natuerliche Selektion' (tianze) und andere Fachtermini werden allmaehlich in die Zeitungssprache uebrnommen, und nach und nach zu den Phrasen der jungen Patrioten. Es gibt sogar Menschen, die diese Begriffe als Namen fuer ihre Kinder verwenden. Heisst Chen Jiongming etwa nicht mit Spitznamen Hecun? Unter meinen Schulkameraden gibt es einen Sun Hecun und einen Yang Tianze. Auch mein eigener Name ist von diesem Stil gepraegt. In der Schule hiess ich Hu Hongxing. Als ich eines fruehen Morgens meinen aelteren Bruder um einen Spitznamen bat, so fragte er, sich das Gesicht waschend, 'Wie waer's mit dem 'Shi' von dem Schlagwort 'natuerliche Selektion, der Angepassteste ueberlebt' (wujingtianze, shizheshengcun)?' Und ich freute mich sehr, benutzte also die beiden Zeichen Hu Shi."[115]

Theoretisch haette es wohl auch andere denkbare Wege gegeben, auf denen der Darwinismus nach China gelangt sein koennte: Schon Darwin erfaehrt 1876 davon, dass auch in Japan Interesse an "The Origin of Species" besteht.[116] Seit den sechziger Jahren wurden Darwin, Spencer und auch Haeckel in Japan gelesen. Auch Liang Qichao schrieb in der "Xinmincongbao" ueber den Darwinismus, den er nicht nur bei Yan Fu, sondern auch bei dem Japaner Kato Hiroku, entdeckt hatte.[117] Doch zum Studium besuchten Chinesen Japan erst ab 1896. Auch gab es in Young J. Allens Jiaohuixinbao Artikel, die sich mit dem Thema der Entstehung der Arten beschaeftigen. Jedoch vertritt beispielsweise Alexander Williamson in einen mehrteiligen Essay mit dem Titel "Untersuchung der Urspruenge der Wissenschaft" (gewutanyuan; 1872-73) einen kreationistischen Standpunkt: Die Vielfalt der Schoepfung illustriert fuer ihn die Grossartigkeit Gottes.[118] Von dieser Seite war also zum Thema Darwinismus nicht viel Aufklaerung zu erwarten. Zwar wurden, in Anlehnung an jesuitische Traditionen, einige naturwissenschaftliche und technische Werke von Missionaren in schon sehr frueh ins Chinesische uebersetzt (wie etwa John W. Herschels "Outlines of Astronomy"/Tantian,1852 oder "Botany"/Zhiwuxue,1859)[119]; es wurden nach 1862 auch Schulen fuer technische Uebersetzungen eingerichtet, doch scheint es bis 1885 gedauert zu haben, bis erstmals durch Fryer ein Buch ueber westliche Politik uebersetzt wurde: "Homely Words to Aid Governance" von William und Robert Chambers in der Reihe "Chambers Educational Course", das Liang Qichao zwar noch 1896 als bestes erhaeltliches Buch preist[120], sonst jedoch nicht uebermaessig verbreitet zu sein scheint. Wichtiger war da schon die Ueberstzung von Robert Mackenzies "The 19th Century" durch Timothy Richard (1894), in dem mit viktorianischen Tonfall der Fortschritt des momentan erfolgreichsten Imperiums der Erde gepriesen wird, das eine optimale Grundlage fuer die Aufnahme der ja ebenfalls als fortschrittlich interpretierten Evolutionstheorie abgab.[121] Darwin selber wurde jedoch allenfalls beilaeufig namentlich erwaehnt, etwa in einer Uebersetzung von Lyells "Outlines of Geology". Guo weist ausserdem darauf hin, dass schon 1890 sich Kang Youwei mit seinem Meisterschueler Chen Qianqiu darueber unterhalten hatte, wie bewiesen werden koenne, ob der Mensch vom Affen abstamme.[122] Alle Einzelheiten der Verbreitungsgeschichte etwaiger Anregungen sind wohl auch noch nicht geklaert; das "Tianyanlun" scheint, neben Yan Fus Artikeln, aber tatsaechlich die erste chinesische Erklaerung der Evolutionstheorie darstellen.

Die Verbreitung der anderen Uebersetzungen Yan Fus ist ebenfalls gross, ihre Bedeutung jedoch geringer.[123] Nachdem er durch seine "Tianyanlun"-Uebersetzung westliches Denken sowohl inhaltlich wie stilistisch (seit den Jesuiten erstmals wieder) salonfaehig gemacht hat, boomt direkt nach der Jahrhundertwende das Uebersetzungswesen.[124] Yan Fu hat folglich nicht mehr eine derart einzigartige Stellung[125]; seine spaeteren Werke nicht mehr die Wirkung von "Tianyanlun". So wurde z.B. seine Uebersetzung von "The Wealth of Nations" auch breit gelesen, doch zeigt sich nicht, dass dabei "Yan Fus Versuch, die Lehre des oekonomischen Individualismus zu verbreiten im 20. Jahrhundert wirklich erfolgreich war".[126] Nichtsdestotrotz dokumentiert die Wahl seiner Uebersetzungen seine persoenliche Haltung zur entstehenden Revolutionsbewegung. Bei der 1903 veroeffentlichten Uebersetzung von Spencers "Study of Sociology" handelt es sich beispielsweise um ein Buch, das vor unqualifiziertem politischen (Stammtisch-)Gerede warnt, indem es auf die Komplexitaet der Gesellschaft und ihrer natuerlichen Grundlagen verweist. Den Einflussbereich der Politik haelt Spencer fuer geringer als die meisten seiner Zeitgenossen. Die Ergebnisse der Gesetzgebung werden oft nach wenigen Jahren wieder revidiert, was ihre Oberflaechlichkeit aufzeigt. "Der Glaube, dass wirklich gute Gesetzgebung und Verwaltung ohne wirklich gute Menschlichkeit (humanity) moeglich sind, ist eine Taeuschung."[127] Das Regierungssystem und auch das Wahlrecht stellen keine Werte an sich dar.[128] Die Aufgabe der Politik ist es lediglich, die Moeglichkeiten fuer einen sehr langsamen sozialen Fortschritt bereitzustellen, ohne ihn durch Aktionismus zu behindern.[129] Bezeichnend ist auch, dass aus Mills Titel "On Liberty" bei Yan Fu "Ueber die Grenzen der Macht der Gesellschaft ueber das Individuum" (qunyijianjielun) wird; er wendet sich gegen die junge Revolutionaere, die Freiheit als Erlaubnis zur Beliebigkeit auffassen.[130] Vielleicht war es die von Spencer uebernommene Abneigung gegen alle Revolutionsbemuehungen, die dafuer gesorgt hat, dass Yan Fu der Dynastie bis zu ihrem Ende loyal blieb; als jedoch zur Gruendung der Republik kam, war es angebracht, die vollendeten Tatsachen hinzunehmen und sich mit dem neuen Praesidialsystem zu arrangieren.

VI. Wirkungen: Nationalismus und Szientizismus

Yan Fus Evolutionismus beinhaltet ein optimistisches Prinzip, das wirkungsgeschichtlich zunaechst zwei schon aeltere Ideen befruchtet hat. Das Prinzip ist der Fortschritt; die erste Idee ist der Nationalismus, die zweite der Szientizismus. Letztere war der Ausgangspunkt Darwins und seiner Zeit, erstere als Sozialdarwinismus ihr Produkt. Der chinesische "Nationalismus" ist insgesamt freilich weniger aggressiv, denn defensiv, da er versucht, das Ueberleben der chinesischen Traditionen zu sichern.

Ein Verkuender des modernen sozialdarwinistischen Nationalismus ist Zhang Binglin. Der Reformbewegung schliesst er sich 1895 an und wird dann Publizist bei verschiedenenen Zeitschriften. Zunaechst befasst auch er sich mit Spencer, als er seinen bereits erwaehnten Aufsatz "Progress, its Law and its Cause" uebersetzt.[131] Im folgenden Jahr erscheint in Liang Qichaos (im japanischen Exil erscheinenden) "Qingyibao" eine Artikelserie, in der er seine Kosmologie erlaeutert: Er zitiert Herschel, einen bereits erwaehnten sehr frueh ins Chinesische uebersetzten Astronomen, der schon die Sonne in der (atomistischen) Galaxis als bewegt ansieht. Damit wendet er sich gegen Tan Sitongs neokonfuzianische Interpretation (des in der westlichen Physik bis 1905 ueblichen) thermodells wie auch gegen einen christlichen Schoepfergott.[132] Fast demokritisch heisst es im dann Junshuo: "Den Beginn aller Dinge bildet allein das Atom. Unter den Atomen gibt es unzaehlige verschiedene. Die einzelnen Elemente besitzen die Kraefte der Anziehung und Abstossung. So zerfallen die Elemente natuerlicherweise in einzelne Koerper und fuegen sich nach dem Zerfall natuerlicherweise wiederum zu zusammengesetzten Koerpern."[133] Auch der Mensch kann auf Atome zurueckgefuehrt werden. Der Titel des "Junshuo" bezieht sich auf das verbindende Element zwischen Atomen und Organismen; es sind die von Pasteur und Koch beschriebenen Bakterien; die allerdings bei Zhang (mit Verweis auf klassische Parallelen bei Zhuangzi und Fu Manrong) wieder durch Gefuehlswallungen entstehen koennen.[134] Beispiele der lebendigen Evolution sind z.B. die Faerbung der Vogeleier als Tarnung gegenueber Nestraeubern.

Im Qiushu (1900) greift er diese Interpretation auf und verfolgt sie dann weiter: Die Veraenderung der Organismus in Abhaengigkeit von den Umweltbedingungen findet ununterbrochen statt, das gilt auch fuer den Menschen, der in der Eiszeit noch mit gutem Fell ausgestattet, nun haararm geworden sei.[135] Analog kann der Mensch durch Nichtgebrauch seiner Faehigkeiten degenerieren. Die Kolonisation durch die kulturell niederstehende Rasse der Manzhou habe bereits eine Hoeherentwicklung verhindert; konkret fordert er die Degradierung des Manzhou-Kaisers zum jederzeit absetzbaren Gastkaiser, dem ein Nachfahre des Konfuzius als Oberhaupt der Chinesen uebergeordnet sein soll (Kap. 29).[136]

Bis zum Alter von 13 Jahren wurde Zhang Binglin von Zhu Youqian, seinem Grossvater muetterlicherseits, unterrichtet, der sich mit den Theorien der Ming-Loyalisten Gu Yanwu (1613-1682) und Wang Fuzhi (1619-1692) beschaeftigt hatte.[137] In seiner Weltsicht nimmt jener Wang Fuzhi an, dass die Ausformung (qi) verschiedener Rassen durch die Umwelt bestimmt werde; dabei kommt es zu rassenspezifischen Gewohnheiten und Sitten.[138] Jenseits des Entstehungsgebietes wirken diese Gebraeuche jedoch dysfunktional; die Manzhou-Herrschaft ist daher abzulehnen.[139] Waehrend Zhang Binglin bis 1900 den Manzhou-freundlichen Reformkreis um Kang Youwei zumindest oeffentlich noch unterstuetzt, laesst er nun seiner Abneigung gegen die Dynastie freien Lauf. Dieser Sinneswandel nach dem Scheitern der Hundert-Tage-Reform und dem "Boxeraufstand" nichts ungewoehnliches; Liang Qichao z.B. hatte bereits 1898 begonnen, sich gegen die Manzhou zu wenden.[140] Im Qiushu billigt er dem Kaiserhaus noch eine eher repraesentative Stellung zu, wesentlich deutlicher wird er dagegen in seiner "Kritik an Kang Youweis Brief ueber die Revolution" (Bo Kang Youwei lun geming shu), die er am 29.6.1903 in der Shanghaier Zeitschrift "Subao" veroeffentlicht.[141] Waehrend Kang Youwei fuer ein Auskommen mit der Dynastie plaediert hatte, konstatiert Zhang Binglin nun: "Wenn man dennoch nicht die Manzhou vertreibt, aber gleichzeitig hofft, dass die Beamten den Kampf aufnehmen und selbst die Messer wetzen werden, und dass das Volk energisch sein Leben einsetzen wird, um eines Tages Freiheit und Unabhaengigkeit zu erreichen, dann ist das mit Sicherheit eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. Man wird allmaehlich kleiner und schwaecher, und schliesslich zu Sklaven der Europaeer und Amerikaner. Wenn man die schlechte Rasse nicht beseitigt, kann die gute nicht wachsen, wenn die schaedliche Rasse nicht ausgerottet wird, kann die gute Rasse nicht gedeihen."[142] Seine polemische Kritik an Guangxu ("dieser kleine Clown kann nicht einmal Bohnen von Weizen unterscheiden, in seinem hektischen Lauf rennt er in die Gefahr, er kann sich keinen vollstaendigen Reformplan fuer die Manzhou machen")[143] ist dabei Anlass fuer die Festnahme von sechs Redakteuren. Er selbst wird dank der mildernden Einflussnahme der Briten zu drei Jahren Haft in einem Shanghaier Gefaengnis verurteilt. Nachdem er diese Zeit, in der auch er (wie die Regel) gefoltert wurde,[144] ueberlebt hat, geht er nach Japan, wo triumphal empfangen, bald der Herausgabe der "Tongmenhui"-Blattes "Minbao" uebernimmt, die er dann bald dominiert. Unter seiner gide erscheinen dann auch Schriften zum Buddhismus (dem er seit seinem Gefaengnisaufenthalt nahesteht[145]) und Anarchismus, zu dem er ebenfalls zeitweise neigt.[146] Nach 1906 hat er der westlichen Wissenschaftlichkeit abgeschworen und versucht vielmehr eine chinesische Restauration; er ist der erste, den zeitgenoessischen Fortschrittsglauben an seiner Schwachstelle angreift. Auch in seinem Kosmos gibt Evolution, doch ist sie ziellos, diskontinuierlich und unvorhersehbar.[147] Bald fordert er nicht nur (anarchistisch) die Aufloesung des Staates, sondern gleich das diesseitige Nirvana, die biologische Ausrottung der Art.[148] Doch scheint dieses de facto nur zeitweise sein Ideal gewesen zu sein, schliesslich hat er unter Yuan Shikai bereits wieder einige (wenn auch bedeutungslose) Staatsposten inne. Mit Yan Fu hat er gemein, dass diese spaetere Ruecknahme vieler seiner Postulate von den Rezepienten der Fruehschriften nicht mehr aufgenommen wurden. Waehrend Yan Fu zur vorsichtigen, aber stetigen Reform der Kultur mahnte und fuer die Beibehaltung der Institutionen war, sah Zhang Binglin nun durch die Veraenderungen die Kultur bedroht, waehrend er die Institutionen gering schaetzte. Nach 1904 verband beide eine tiefe Feindschaft.[149] Dennoch werden die Warnungen der beiden von einer Bewegung verdraengt, die gleich beides will, Revolution der Kultur und der Institutionen. Was sie verlangt, sind "Wissenschaft" und "Demokratie".

Als 1912 die Guomindang gegruendet wird, so strebt die chinesische Intelligenz noch einmal zur Harmonie; der Konsens zerbricht jedoch sehr bald an Yuan Shikais diktatorischen Regierungsstil; bald zerfaellt mit ihm China in die Anarchie der Kriegsherren; andererseits bescheren die Wirren des ersten Weltkrieges in Europa China eine Phase der wirtschaftlichen Prosperitaet.[150] Die Bedrohung von aussen bleibt jedoch, wieder ist es Japan, das 1915 mit seinen "21 Forderungen" die Empoerung der chinesischen Intellektuellen hervorruft. Die neue Generation der Bewegung fuer "neue Kultur" hat z.T, nicht mehr fuer die alten Pruefungen (bis 1905) gelernt, im Ausland studiert und glaubt nicht mehr an die neokonfuzianische Weltsicht. Was sollte nun an die Stelle dieser Leere treten? Nun, die Reformer setzten nach 1915 wieder dort an, wo schon die Reformbewegung der Jahrhundertwende begonnen hatte: Wissenschaftlichkeit.

Needham hat ausfuehrlichst die Resultate altchinesischer Naturbetrachtung beschrieben, und als forschungsfoerdendes Element den Daoismus ausgemacht. Nur waren diese vielen Erkenntnisse eben nicht, wie seit der Renaissance im Westen, in ihrer Gesamtheit als scientia anerkannt.[151] Da es sich also um nicht pruefungsrelevanten Stoff handelte, waren hier die Kenntnisse der jungen Generation ziemlich mager (besonders natuerlich vor 1905).[152] Ausserdem hatte sich ja der Erfolg westlicher Wissenschaft bereits im Westen gezeigt; am einfachsten schien es also, die Wissenschaftlichkeit unkritisch (da es ja nichts Indigenes gab, was fuer Unterscheidenswert gehalten wurde) zu uebernehmen. Die Vorraussetzungen fuer die Uebernahme materialistischer Wissenschaft waren dennoch in mancher Hinsicht wohl sogar besser als im christlichen Westen: "Da das Goettliche [in China] der Materie innebleibend war, war auch Materie eine teilweise erhabene, theologisch relevante Art der Substanz. Folglich hatten in China monistische Ansaetze, alle Existenz zur Materie zurueckzufuehren, einen religioesen Beiklang, ganz im Gegensatz zu den westlichen Materialismustheorien, die der Idee der Goettlichkeit des Kosmos widersprechen."[153] Gerne wird der monistische Absolutsheitsanspruch der materialistischen Weltsicht angenommen.[154] Ding Wenjiang (1887-1936), der in England Biologie und Geologie studierte, beschreibt in seinem Lehrbuch der Biologie (1911) etwa die Entstehung der Religion durch psychologische Evolution: "Seit der Entstehung von Wissen in fruehen Zeiten, gab es solche die den religioesen Impuls besassen, und solche, die das nicht taten. Die Ersteren waren besser und ueberlebten, die Letzteren gingen unter. (...) Deshalb ist Religion ebenfalls Produkt der Evolution, und es ist falsch zu sagen, Religion habe etwas mit Goettern zu tun."[155] In den fruehen zwanziger Jahren wird er Verfechter der Eugenik, von der sich die Loesung der Modernisierungsprobleme Chinas erhofft.[156] 1923 kommt es in mehreren Artikeln zum einer Debatte ueber Wissenschaft; induziert ist sie durch die ersten Fortschrittszweifel im nach dem ersten Weltkrieg im Westen (importiert beispielsweise von Liang Qichao); begonnen von Zhang Junmai, der am 14.2.1923 seinen Studenten mitteilt, dass "Wie entwickelt Wissenschaft auch ist, sie kann dennoch nie die Probleme der Philosophie des Lebens loesen, diese haengen ausschliesslich vom Menschen ab und von nichts mehr."[157] Dagegen setzt Ding Wenjiang seine Erkenntnislehre: Fuer ihn sind "psychologische Erscheinungen wie Gefuehle, Gedanken und Wahrnehmungen sind Produkte von Sinnesreizen und koennen alle wissenschaftlich studiert werden."[158] Er und seine Anhaenger sind es, die dann den Applaus der ffentlichkeit erhalten: der wissenschaftliche Positivismus siegte.

Waehrenddessen waechst die Wissenschaft. An Cornell-Universitaet wird 1914 nach dem Vorbild der American Association for the Advancement of Science (AAAS) die chinesische Wissenschaftsvereinigung gebildet, die 1918 nach Nanjing umzieht, dort eine Buecherei und ab 1922 ein Biologielabor unterhaelt (ab 1924 mit eigener Zeitschrift). Die Mitgliederzahl hat sich von 1914 (55) bis 1920 (500) fast verzehnfacht.[159] In der seit 1914 von der Gesellschaft herausgegebenen Zeitschrift "Kexue" nimmt der Anteil der wissenschaftstheoretischen und generellen Artikel nach 1923 von etwa einem Viertel auf ein Zehntel ab; Wissenschaft war jetzt etabliert, Diskussionen darueber waren nicht mehr noetig.[160] Es geht an die konkrete Arbeit im Labor. Eine zunehmende Spezialisierung findet statt, was sich auch im Anwachsen der Zahl der verfuegbaren Fachzeitschriften sehr deutlich niederschlaegt. Da die (anerkannte) Wissenschaft aus der ffentlichkeit verschwindet, wird das Ende des klassischen mechanistischen Materialismus und Szientizismus im Westen etwa durch die Entdeckung des Teilchen-Welle-Dualismus des Lichtes (Photoeffekt 1905) und die Heisenbergsche Unschaerferelation (Impuls und Ort eines Teilchens koennen nicht gleichzeitig genau bestimmt werden) in China kaum noch registriert. Das Rueckzug der "naturwissenschaftlichen" Wissenschaftler aus der oeffentlichen Diskussion laesst dann den Gesetzen der Sozialwissenschaftler Platz; die marxistische Gesellschaftstheorie verbindet die menschliche Evolution mit dem Element der Revolution. Es ist Marx, der als "Ueber-Darwinist" in China das Erbe Darwins uebernimmt.[161]

VII. Unoriginelles Ende

Das Problem des Sozialdarwinismus liegt darin, dass "explikative Begriffe in ethische Prinzipien"[162] umfunktioniert werden. Darwins Evolution verlaeuft nur als Summe vieler ganz kleiner Variationen, um diese zu erklaeren, versucht Charles Darwin, rueckblickend eine Linie der Evolution zu finden, die sogar bis zum heutigen Menschen reicht. Wenn nun diese Linie betrachtet wird, so besteht leicht die Gefahr, diese als zwangslaeufig anzusehen, und daraus zu schliessen, dass auch die Zukunft der Evolution bzw. des Menschen ebenso unilinear sei. In concreto: Kwok bezeichnet Yan Fus Beitrag zur chinesischen Rezeption westlicher Wissenschaft als "most instrumental".[163] Die Konnotationen von "instrumental" illustrieren das Problem: Zum einen schwingt ein bloss funktionaler Aspekt mit, andererseits kommt es etwa in der Musik ja auch auf die spezifischen Eigenheiten eines Instrument an, mit dem etwa eine Melodie interpretiert wird. Wie die Evolutionstheorie wahrscheinlich vergleichsweise weniger das Bild des Zuechters und mehr kybernetisch-homoeostatische Paradigmata enthalten wuerde, hatte statt Darwin Wallace sie entwickelt;[164] so waere es auch beispielsweise denkbar, waere er auf die franzoesischsprachige Sektion der Fuzhouer Navigationsschule gegangen, dass dann vielleicht Rousseau der erste westliche Denker waere, mit dem China in breiterem Masse in Beruehrung gekommen waere...

Noch schwieriger wird dieses Problem allerdings dadurch, dass andererseits die grobe Richtung der materiellen Evolution durchaus vorgegeben ist: "Und weil natuerliche Selektion ausschliesslich fuer und durch das Wohlbefinden jedes Wesens arbeitet, werden alle koerperlichen und geistigen Faehigkeiten zur Perfektion streben."[165] Andererseits sind in der Natur jedoch keine direkten Hinweise auf die Richtung der Perfektion enthalten. Mit einem (pseudo-)deterministischen "Mandat der Evolution" (tianyanzhiming)[166] lassen sich beliebige soziale Forderungen (von Kropotkins Anarchismus bis zur Neoliberalismus) aus der "Natur des Menschen ableiten"; in kybernetischen Modellen laesst sich sowohl die Ueberlegenheit der konkurrierenden wie der kooperativen Teilnehmer konstruieren.[167] Mit zarter Resignation ist komme ich daher (vorerst?) zu dem unoriginellen Schluss, dass, wie seine Entfaltung in China wie auch im Westen zeigt, das Evolutionsprinzip zwar sehr wohl eine sehr oekonomische Erklaerung fuer viele biologische Phaenomene darstellt, als moralisches oder anthropologisches Modell jedoch nicht geeigneter ist als etwa die Maxwell-Gleichungen.

VIII. Anhang

Die folgende "Uebersetzung" hat mit Yan Fu eines gemein, auch sie paraphrasiert sehr stark; was aber (in krassem Gegensatz zu Ya Fu) keinesfalls auf einer besonders souveraenen Beherrschung des uebersetzten Idioms beruht. Dennoch hoffe ich den Grundaussagen Guo Zhengzhaos, dessen Text die Struktur dieses Referates grundlegend beeinflusst hat, nicht allzuviel Unrecht getan zu haben.

IX. Liste der Zeichen

X. Literatur

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Han Dihou, Yan Fus Uebersetzungstheorie und ihr Einfluss (Yan Fu de fanyi lilun nai qi yinxiang), in: Liu Jing, Uebersetzungstheorien (Fanyi lunji), Xianggang 1981, S. 333 - 342.
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Liang Qichao, Intellectual Trends in the Ch'ing Period (Qingdai xueshu gailun), uebersetzt von Immanuel C.Y.Hsue, Cambridge (Mass.) 1959.
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Benjamin Schwartz, In Search of Wealth and Power: Yan Fu and the West, Cambridge (Mass.) 1964.
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Herbert Spencer, The Study of Sociology, 9. Aufl., 1880 (Reprint Osnabrueck 1966, Vol. 12).
Eveline Stroeber, Von der Evolution zur Erloesung: Zum fruehen Denken Chang T'ai-Yens (1868-1936), Diss. Bonn 1990.
George Macauley Trevelyan, English Social History: A survey of Six Centuries, Chaucer to Queen Victoria, 2. Aufl., London 1946.
Juergen Weber, Revolution und Tradition: Politik im Leben des gelehrten Chang Ping-lin (1869-1936) bis zum Jahre 1906, Diss. Hamburg 1986.

Tafel 1: Yen Fus Lebenslauf

1853(nach westl. Kalender:8.1.1854): Geburt in Yangqixiang/Houguan/Fujian
sein Vater Yan Zhenxian, ein Arzt, bestellt Huang Shaoyan zum Tutor
1866-71 Besuch der Marineschule von Fuzhou
1871-76 befaehrt auf Yangwu ost- und suedchin. Meer, besucht u.a. Singapur, Japan
1877-79 besucht Naval College in Greenwich
1879-81 lehrt an der Marineschule von Fuzhou
1881-1900 Lehrer an der Beiyang-Marineschule in Tianjin
1885,88,89,93 erfolglose Versuche, juren zu werden
1892 Vorwort zu Alexander Michie, Missionaries in China
1895 Uebersetzung von Huxleys "Evolution and Ethics" (Tianyanlun)
1895 vier Aufsaetze in der Zhibao fuer die Reformbewegung
1896 richtet in Tianjin Russisch-Sprachschule ein
1897 Mitbegruender Guowenbao
1897-03 Uebersetzung von Spencer,"The Study of Sociology" (Qunxueyiyan)
1898 Tianyanlun wird in der "Guowenbao" abgedruckt
1898 (August) Audienz bei Kaiser Guangxu
1898-00 Uebersetzung von Smith,"Inquiry into the Nature and Cause of the Wealth of Nations" (Yuanqiang)
1899-03 Uebersetzung von John Steward Mills "A System of Logic" (Mulemingxue)
1901 Direktorium fuer Kaiping-Bergwerke
1901-03 Uebersetzung von Mill,"On Liberty" (Qunyijianjielun)
1902-09 Uebersetzung von Montesquieus "Spirit of Laws"(De l'Esprit des Lois;Fayi)
1902-04 Direktor des Uebersetzungsbueros der kaiserl, Universitaet in Beijing; danach Arbeit in diversen Akademien
1903 Ueberlegungen zu Wang Bis (226-49) Daoismus
1904 Uebersetzung von Edward Jenks' "History of Politics" (Shehuitongquan)
1912 Dekan an der literarischen Sektion der Beida
1913-16 Arbeit als Berater fuer internationales Recht bei Yuan Shikai
1914-16 Arbeit in der Verfassungskonferenz
1914 Kritik an Rousseaus contrat social
1915 Tritt Vereinigung fuer die Wiederherstellung der Monarchie bei
1916 Rueckzug aus dem oeff. Leben; Verbitterung ueber den Westen
1921 schreibt ueber Zhuangzi;(21.Oktober) Tod

(Cf. Schwartz, op.cit. passim; sowie Howard L. Boorman und Richard C. Howard, Biographical Dictionary of Republican China, New York und London 1971, Vol. IV, S. 41-47)

Tafel 2: Zhang Binglins Lebenslauf

1868(nach westl.Kalender:12.1.1869) Geburt in Cangqian/Yuhangxian/Zhejiang
1883 versucht Knabenpruefung auf Kreisebene;dabei Epilepsie(?)-Anfall; dann freieres Studium
1890 Tod des Vaters; wird Schueler bei dem Guwen-Anhaenger Yu Yue
1892 erste Heirat
1895 Eintritt in die Reformbewegung (Qiangxuehui)
1896-98 Redakteur in Liang Qichaos "Shiwubao" und in anderen Zeitschriften
1898 zus. mit Zeng Guangquan Uebersetzung von Spencers "Progress, its Laws and its Causes"
1898 Flucht nach Taiwan; dort Mitarbeit im Taiwanriribao
1899 geht nach Japan
1899 in Liang Qichaos Qingyibao erscheinen in einer Artikelserie als "Wahre Ansichten eines Gelehrten" (Rushuzhenlun) u.a. die "Himmelsbetrachtung" (Tianyanlun) und "Ueber Mikroben" (Junshuo)
1900 Rueckehr nach China; im Sommer erscheint Qiushu in Suzhou; er schliesst sich im Juli zunaechst der Protestbewegung Tang Caichangs an
1902 erneuter Japanaufenthalt; organisiert dort Feier zum Gedenken an den Sturz der Ming-Dynastie (25.4.); uebersetzt Kishimoto Nomutas "Shakaigaku"
1903 Kritik an Kang Youweis Brief ueber die Revolution
1903-06 Gefangenschaft
1906-08 Rueckkehr nach Japan; Herausgeber der Minbao der Tongmenghui
1912-13 stuetzt Yuan Shikai bis zur Ermordung von Song Jiaoren
1913-16 Hausarrest
1917 Arbeit in der Militaerregierung von Guangzhou;dann Rueckzug aus der Politik; gruendet Schulen
1936 (14. Juni) Tod

(Cf. Weber, op.cit., passim und Stroeber, op.cit., passim)

Abb. 1: Foto von Yan Fu (Franois Houang, Les Manifestes de Yen Fou, Paris 1977, Umschlag).

Abb. 2: Zahl der naturwissenschaftlichen Zeitungen in China (Peter Buck, op.cit., S. 211).

LITERATUR[]

[1] D.W.Y. Kwok, Scientism in Chinese Thought, New York 1971, S. 3.
[2] Ibid.
[3] Edmund Klatt, Muret-Sanders Enzyklopaedisches Englisch-Deutsches und Deutsch-Englisches Woerterbuch, Langenscheidtsche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1909, S. 746.
[4] Cf. David Knight, The Age of Science:The Scientific World-view in the Nineteenth century, Oxford 1986, S. 22.
[5] Cf. ibid., S. 60.
[6] Cf. ibid., S. 128.
[7] Cf. ibid., S. 129.
[8] Cf. Ronald W. Clark, The Huxleys, London 1968, S.43.
[9] Cf. Knight, op. cit., S. 6.
[10] Cf. Gero v. Randow, Unverstaendliche Wissenschaft, in: Die Zeit Nr. 24 v. 5.6.1992, S. 52.
[11] Cf. R. D. Keynes, The Origin of the Origin - Darwin's Early Scientific Development, in: E. Geissler und W. Scheler, Darwin Today: The 8th Kuehlungsborn Colloquium on Philosophical and Ethical Problems of Biosciences, Kuehlungsborn 8th-12th November 1981, Berlin 1983, S. 25 - 36, S. 26f.
[12] Cf. Michael T. Ghiselin, The Triumph of the Darwinian Method, Berkeley und Los Angeles 1969, S. 35.
[13] Francis Darwin, The Life and Letters of Charles Darwin, Including an Autobiographical Chapter, London 1887, Vol. 1, S.85, zitiert nach: Michael T. Ghiselin, op. cit., S. 49.
[14] Cf. Thomas Robert Malthus, An Essay on the Principle of Population, as it Affects the Future Improvement of Society, with Remarks on the Speculation of Mr. Godwin, M. Condorcet, and other Writers, London 1798 (Faksimile London 1926), S. 15.
[15] Ibid., S. 11.
[16] Ibid., S. 48.
[17] Cf. Bertrand Russell, Philosophie des Abendlandes [A History of Western Philosophy 1945], uebersetzt von Elisabeth Fischer-Wernecke und Ruth Gillischewsky, Zuerich 1950, S. 41.
[18] Cf. Jean Baptiste Lamarck, Ueber den Einfluss der Umgebungsverhaeltnisse auf die Taetigkeiten und Gewohnheiten der tiere und den Einfluss der Taetigkeiten und Gewohnheiten dieser Organismen als Ursache der Abaenderung ihrer Organisation und ihrer Teile, in: Jean Lamarck, Zoologische Philosophie, Uebersetzung von Heinrich Schmidt, Leipzig 1909, S. 68 - 73, zitiert nach: Guenter Altner, Der Darwinismus: Geschichte einer Theorie, Darmstadt 1981, S. 83 - 93, S. 93.
[19] Im Gegensatz zu vielen pseudoanonymen Veroeffentlichungen des viktorianischen Zeitalters blieb der Autor, Robert Chambers, bis zu seinem 40 Jahre spaeter erfolgenden Tod unbekannt. Cf. David Knight, op.cit., S. 50f.
[20] Charles Darwin, The Origin of Species by Means of Natural Selection, 6. Aufl., London 1921, Historical Sketch, S. XVII.
[21] Cf. Michael Ghiselin, op.cit., S. 10.
[22] Cf. Charles Darwin, op.cit., S. 5ff.
[23] Cf. Yan Fu, Yuanqiang, uebersetzt von Franois Houang in: Ders., Les Manifestes de Yen Fou, Paris 1977, S. 49 - 99 (S. 50).
[24] Cf. Charles Darwin, op.cit., S. 96.
[25] Cf. auch David Knight, op.cit., S. 181.
[26] Dem aufmerksamen Leser ist sicherlich schon aufgefallen, dass "struggle for existence" in der deutschen Literatur in der Regel mit "Kampf ums Dasein" wiedergegeben wurde. Da das deutsche Wort "Kampf" spaetestens seit 1925 stark nationalsozialistische Konnotationen hat, die im englischen "struggle" (nicht etwa "fight" oder "combat"!): etwa"Abmuehen,Anstrengung;Straeuben,Ringen,Streit,[dann erst]Kampf" (nach Langenscheidt,op.cit.,S. 872) nicht enthalten sind, vermeide ich es hier bewusst.
[27] Herbert Spencer, Progress, its Law and its Cause, zitiert nach: Otto Gaupp, Herbert Spencer, 3. Auflage, Stuttgart 1906, S. 66f.
[28] Ibid, S. 67.
[29] Cf. Herbert Spencer, A System of Synthetic Philosophy Vol 6: The Principles of Sociology Vol. 1, 1904 (Reprint Osnabrueck 1966), S. 4.
[30] Ibid., S. 7.
[31] Ibid., S. 12.
[32] Charles Darwin, op.cit., S. 45.
[33] Herbert Spencer, The Study of Sociology, 9. Aufl., 1880 (Reprint Osnabrueck 1966, Vol. 12), S. 330.
[34] Cf. George Macauley Trevelyan, English Social History; A Survey of Six Centuries, Chaucer to Queen Victoria, 2. Aufl., London 1946, S. 565f.
[35] Herbert Spencer, ibid., S. 340.
[36] Charles Darwin, The Descent of Man and Selection in Relation to Sex, New York 1896 (Reprint New York 1972), S. 134.
[37] Ibid.
[38] Ibid., S. 618.
[39] Ibid., S. 140.
[40] Cf. ibid., S. 143.
[41] Ibid., S. 54.
[42] Ibid., S. 55.
[43] Ibid., S. 178.
[44] Cf. David Knight, op.cit., S. 144.
[45] Auch dieses Wort gibt erst seit etwa 1800.
[46] Cf. Charles Darwin, Origin of Species, S. XVII.
[47] Bertrand Russell, op.cit., S. 601.
[48] John King Fairbank, Geschichte des modernen China 1800-1985, [The Great Chinese Revolution: 1800-1985], uebersetzt von Walter Theimer, Noerdlingen 1989, S. 100.
[49] Yan Fu, Yuanqiang, op.cit., S. 80 (die Jahreszahlen wurden von Franois Houang hinzugefuegt).
[50] Cf. Joseph R. Levenson, Confucian China and its Modern Fate, Berkeley und Los Angeles 1966, Vol 1, S. 60.
[51] Cf. ibid., S. 66.
[52] Cf. Liang Qichao, Intellectual Trends in the Ch'ing Period (Qingdai xuemu gailun), uebersetzt von Immanuel C.Y. Hsue, Cambridge (Mass.) 1959, S. 92.
[53] Cf. John K. Fairbank, op,.cit., S. 128.
[54] Cf. Liang Qichao, op.cit., S. 98.
[55] Benjamin Schwartz, In Search of Wealth and Power, Yen Fu and the West, Cambridge (Mass.) 1964, S. 29.
[56] Wang Quchang, Chronologische Biographie Yan Fus (Yan Jidao Nianpu), Shanghai 1936, S. 7, zitiert nach: Benjamin Schwartz, op.cit., ibid.
[57] George M. Trevelyan, op.cit., S. 551.
[58] Ibid., S. 557.
[59] Cf. Benjamin Schwartz, op.cit., ibid.
[60] Cf. ibid., S. 31.
[61] Cf. Franois Houang, op. cit., S. 19.
[62] Benjamin Schwartz, op.cit., S. 92.
[63] Yan Fu, Lunshibianzhiji, in: Franois Houang, op. cit., S. 33 - 45 (S. 33).
[64] Ibid., S. 34.
[65] Ibid., S. 38.
[66] Yuan Fu, Yuanqiang, ibid., S. 50f.
[67] Ibid., S. 52.
[68] Ibid.
[69] Ibid., S. 53 und auch S. 57.
[70] Ibid., S. 62.
[71] Ibid., S. 66.
[72] Ibid., S. 69.
[73] Ibid., S. 83.
[74] Ibid., S. 87.
[75] Daxue
[76] Yan Fu, Yuanqiang, S. 90.
[77] Cf. zu diesem Ideal auch: Levenson, op.cit., S. 16.
[78] Yan Fu, Jiuwanglun, in: Franois Houang, op.cit., S. 103 - 137 (S. 109).
[79] Ibid., S. 136.
[80] Yan Fu, Pihan, in: Franois Houang, op.cit., S. 141 - 151 (S. 143).
[81] Yan Fu, Yuanqiang, S. 97.
[82] Yan Fu, Pihan, S. 147.
[83] Cf. z.B. Franois Houang, op.cit., S. 3.
[84] Cf. Benjamin Schwartz, op.cit., S. 83.
[85] Cf. z.B. Benjamin Schwartz, S. 99.
[86] Cf. Benjamin Schwartz, op.cit., S. 98.
[87] Cf. Ronald W. Clark, op.cit., S. 33.
[88] Cf. ibid., S. 52.
[89] Thomas Henry Huxley, Evolution and Ethics and other Essays, London 1906, S. 81.
[90] Cf. ibid., S. 23.
[91] Cf. ibid., S. 43.
[92] Cf. ibid., S. 55.
[93] Cf. ibid., S. 58.
[94] Ibid., S. 77.
[95] Ibid., S. 78.
[96] Ibid., S. 85.
[97] Ibid., S. 86 (Schluss).
[98] Ronald W. Clark, op. cit., S. 117.
[99] Ibid., S. 118.
[100] Bemerkenswerterweise gibt es auch bei neueren Evolutionstheoretikern ernstzunehmende Analogien zu Huxleys Betonung der "menschlichen Aktivitaet". So entwickelt etwa Dawkins (The Selfish Gene 1978; letztes Kapitel) die Theorie, dass die Evolution im Begriff sei, sich vom "Gen" aufs "Mem" (der Vererbungseinehit der menschlichen Kultur) zu verlagern, das dann auch moralische Elemente enthalten kann; Zu Yan Fu cf. Benjamin Schwartz, op.cit., S. 103.
[101] "The principle of selection [der Zuechtung] I find distinctly given in an ancient Chinese encyclopedia. Explicit rules are laid down by some of the Roman classical writers. From some passages in Genesis...", Charles Darwin, Origin of Species, S. 23; leider enthaelt sich Darwin bei diesem wissenschaftshistorischen Exkurs zum Thema "Zuechtung" jeglicher genauer Anmerkung.
[102] Cf. Guo Zhengzhao, Der Darwinismus und China (Daerwenzhuyi yu Zhongguo) in: Zhang Hao, Denken und Persoenlichkeiten des neuzeitlichen China: Die spaete Qing-Zeit (Jindai Zhongguo Sixiang Renwu Lun: Wan Qing Sixiang), Taibei 1981, S. 669 - 686 (S. 677).
[103] Yan Qu, "Chronologische Biographie Yan Fus, geschrieben von Yan Qu" (Houguan Yan xiansheng nianpu), zitiert nach: Wang Shi, Yan Fu zhuan, Shanghai 1957, S. 34, zitiert nach: Benjamin Schwartz, op.cit., S. 98.
[104] Benjamin Schwartz, op.cit., S. 102.
[105] Ibid., S. 106.
[106] Yan Fu, Tianyanlun, Vol. 2, S. 14, zitiert nach: Benjamin Schwartz, ibid., S. 107.
[107] Cf. Benjamin Schwartz, op.cit., S. 52.
[108] Cf. Guo Zhengzhao, op.cit., S. 684f.
[109] Ibid., S. 678.
[110] Yen Fu, Tianyanlun, Taibei 1967, S. 1, zitiert nach: James R. Pusey, China and Charles Darwin, Cambridge (Mass.) und London 1983, S. 172.
[111] Cf. James R. Pusey, ibid.
[112] Cf. Franois Houang, op.cit., S. 19.
[113] Cf. Han Dihou, Yan Fus Uebersetzungstheorie und ihr Einfluss (Yan Fu de fanyi lilun nai qi yinxiang), in:Liu Jing,Fanyi lunji,Xianggang 1981, S.333-342 (S. 333).
[114] Guo Zhengzhao, op.cit., S. 670.
[115] Hu Shi, Autobiographie eines Vierzigjaehrigen (Sishizishu), S. 99, zitiert nach: Guo Zhengzhao, op.cit., S. 670.
[116] "Es [The Origin of Species] ist auch, wie Miss Bird angibt, in das Japanische uebersetzt worden und wird dort viel studiert.", Cf. Charles Darwin, Rueckblick auf den Weg zur Evolutionstheorie, in: Francis Darwin, Leben und Briefe von Charles Darwin, uebersetzt von J. Victor Carus, Stuttgart 1887, Vol. 1, S. 73 - 80, zitiert nach: Guenter Altner, op.cit., S. 13.
[117] Cf. Charlotte Furth, Intellectual Change from the Reform Movement to the May Fourth Movement, 1895-1920, in: Fairbank [Hrsg.], Cambridge History of China, Cambridge (Mass.), 1983, Vol XII, S. 322 - 405 (S. 337).
[118] Cf. Adrian A. Bennett, Missionary Journalist in China: Young J. Allen and his Magaazines, 1860-1883, Athens (Georgia) 1983, S. 129.
[119] Cf. Eveline Stroeber, Von der Evolution zur Erloesung: Zum fruehen Denken Chang T'ai-Yens (1868-1936), Diss. Bonn 1990, S. 27.
[120] Cf. James R. Pusey, S. 22.
[121] Cf. ibid., S. 45.
[122] Cf. Guo Zhengzhao, S. 675.
[123] Als Yan Fus Hauptwerk wird gerade bei kursorischen Erwaehnungen (fast?) immer "Tainyanlun" angegeben. Selbst Guo Zhengzhao (S. 672) erwaehnt von seinen anderen Uebersetzungen nur die von Spencer und Jenks.
[124] Cf. Liang Qichao, op.cit., S. 114.
[125] Vor 1919 werden beispielsweise uebersetzt und/oder eingehend beschrieben: Rousseau, Lamarck, Kropotkin, Schopenhauer, Nietzsche, Kant und Russell (cf. Chow Tse-Tsong, The Max Fourth Movement, Cambridge (Mass.) 1960, S. 294).
[126] Benjamin Schwartz, op.cit., S. 128.
[127] Herbert Spencer, The Study of Sociology, op.cit., S. 273.
[128] Ibid.; S. 273.
[129] Ibid., S. 396.
[130] Cf. Benjamin Schwartz, op.cit., S. 144.
[131] Cf. Eveline Stroeber, op.cit., S. 45.
[132] Ibid., S. 32.
[133] Zhu Weizheng und Qiang Yihua [Hrsg.], Ausgewaehlte politische Schriften Zhang Binglins, (Zhang Taiyan xuanji), Shanghai 1981, S. 62, zitiert nach: Eveline Stroeber, op.cit., S. 38.
[134] Cf. Eveline Stroeber, op.cit., S. 39f.
[135] Cf. ibid., S. 54.
[136] Cf. Juergen Weber, Revolution und Tradition: Politik im Leben des Gelehrten Chang Ping-lin (1869-1936) bis zum Jahre 1906; Diss. Hamburg 1986, S. 167.
[137] Eveline Stroeber, op.cit., S. 15f.
[138] Ernstjoachim Vierheller, Nation und Elite im Denken von Wang Fu-chih (1619-1692), Diss. Hamburg 1968, S. 31.
[139] Ebenso wie Zhang Binglin kommt auch Xue Fucheng alias "Pingpici" im "Xiangxue Xinbao" unter dem Einfluss des Darwinismus zu aehnlichen neokonfuzianischen Schluessen (cf. James R. Pusey, op.cit., S. 134), inwieweit gegenseitige Beeinflussung vorliegt, scheint unbekannt.
[140] Cf. James R. Pusey, op.cit., S. 181.
[141] Nach Einschaetzung Juergen Webers ist dieses "unzweifelhaft (...) seine wichtigste politische Schrift" (ders., op.cit., S. 293).
[142] Zhang Binglin, Kritik an K'ang Yu-weis Brief ueber die Revolution/Po K'ang Yu-wei lun ko-ming shu, uebersetzt von Juergen Weber, in: Ders., op.cit., Anhang VII, S. 439 - 472 (S. 468).
[143] Ibid., S. 452.
[144] Juergen Weber, S. 329.
[145] Die intensive Beschaeftigung zum Buddhismus (z.T. im Alter) scheint typisch fuer viele seiner Zeitgenossen, z.B. Yan Fu, Tan Sitong, Liang Qichao etc. zu sein (Cf. Benjamin Schwartz, op.cit., S. 106). Schwartz (ibid.) verweist auch auf die Betonung des unwissbaren "universellen Raetsel der Materie" bei Spencer (dazu z.B. Study of Sociology, op.cit., S. 307).
[146] Juergen Weber, S. 364.
[147] Cf. Charlotte Furth, op.cit., S. 359.
[148] Cf. ibid., S. 360 oder James R. Pusey, op.cit., S. 419.
[149] Cf. Eveline Stroeber, op.cit., S. 44.
[150] Cf. Chow Tse-Tsong, op.cit., S. 7.
[151] Cf. Nathan Sivin, Science and Medicine in Imperial China - The State of the Field, Journal of Asian Studies (Harvard) Vol. 47/1 (Feb. 1988), S. 41 - 90 (S. 54).
[152] Cf. James R. Pusey, op.cit., S. 129.
[153] Thomas A. Metzger, Escape from Predicament: Neo-Confucianism and China's evolving political culture, New York 1977, S. 198.
[154] Ibid., S. 205.
[155] Ding Wenjiang, "Wissenschaft und Lebensphilosophhy" (Kexue yu renshengguan), Shanghai 1923, Vol. 2, S. 37 - 39, passim, zitiert nach: D.W.Y.Kwok, op.cit., S. 120.
[156] Cf. ibid., S. 114. Es sei betont, dass die Konzeption des Gens (und damit der vorgeburtlichen Genrekombination als Grundlage der Eu-Genik) erst seit 1909 durch die Johannsensche Chromosomentheorie existiert. Darwin schrieb noch im "Origin": "Our ignorance on the law of variation is profound." (S. 122). Er schloss Veraenderungen des Erbgutes durch nichtstochastische Anpassung nicht kategorisch aus (cf. auch ibid., S. 185, 218, 369 bzw. im "Descent of Man" S. 32f).
[157] Zhang Junmai, Lebensphilosophie (renshengguan), in: Kexue yu reshengguan, op.cit., Vol. 1, S. 4-9; zitiert nach: D.W.Y. Kwok, op.cit., S. 141.
[158] D.W.Y. Kwok, op.cit., S. 143.
[159] Peter Buck, American Science and modern China, Cambridge 1980, S. 97.
[160] Ibid., S. 209.
[161] Cf. James R. Pusey; op.cit., S. 445.
[162] Kurt Bayertz, Darwinismus, in: Ders., Bernhard Heidtmann und Hans-Joerg Rheinberger [Hrsg.], Dialektik 5: Darwin und die Evolutionstheorie, Koeln 1982, S. 105 - 120 (S. 111).
[163] D.W.Y. Kwok, op.cit., S. 6.
[164] Cf. Gregory Bateson, Geist und Materie: Eine notwendige Einheit, [Mind and Nature. A necessary unity.] uebersetzt von Hans Guenter Holl, 2.Aufl., Frankfurt a.M. 1990, S. 58.
[165] Charles Darwin, Origin, S. 402.
[166] James R. Pusey, op.cit., S. 324.
[167] Cf. z.B. Michael Springer, Grossmut zahlt sich letztlich aus, in: Spektrum der Wissenschaft 5/1992, S. 30 - 32 (S. 31).